Zahlreiche Interessierte waren in die Wach'sche Villa gekommen, um die Übergabe der Stolpersteine zu verfolgen und Felix und Katharine Wach zu gedenken.
Zwei Stolpersteine für Katharine und Felix Wach
„Wir müssen reden. Vor 110 Jahren stand hier Familie Wach. Stellen Sie sich es genau vor. Dort drüben bei Ihnen, da stand Katharine Wach, dort, wo Sie stehen, direkt neben ihr, ihr Mann Felix. Und hier wo ich stehe, hier haben die Kinder gespielt.“ Mit diesem eindrücklichen Poetry Slam hat die Schülerin Antonia am Montag für Gänsehaut gesorgt. Zahlreiche Interessierte waren am Nachmittag zur „Wach’schen Villa“ gekommen, um die Übergabe zweier Stolpersteine für Felix und Katharine Wach zu verfolgen und den beiden ihren Respekt zu erweisen.
Eingeladen hatte die AG Geschichte, die sich um die Verlegung weiterer Stolpersteine für verfolgte jüdische Bürger in Radebeul eingesetzt hat. Darunter auch Katharine und Felix Wach, die seit 1912 in der „Wach‘schen Villa“ gelebt und hier glückliche Jahre verbracht hatten, bis sie 1938 wegen ihrer jüdischen Herkunft von den Nazis enteignet wurden. Ihre Lebenswege haben Schüler des Radebeuler Lößnitzgymnasiums in einem Geschichts-Projekt nachverfolgt und aufgeschrieben, um sie künftig in einer App für alle Interessierten verfügbar zu machen.
Schon im Vorfeld war der Kontakt zwischen den Schülern und ihrer Lehrerin Tanja Bendel und unserer Wohngruppe „Wach’sche Villa“ entstanden, weil auch die Mädchen und Mütter, die heute in der Villa ein Zuhause finden, großes Interesse an der Geschichte des Hauses und seiner früheren Besitzer haben. Entsprechend waren zur Übergabe der beiden Stolpersteine auch alle Bewohnerinnen der Wohngruppe gekommen, zwei von ihnen enthüllten feierlich die beiden Steine.
„Ich freue mich sehr, dass wir mit der Veranstaltung heute einen Bogen über mehr als 100 Jahre schlagen“, betonte Kinderarche-Vorstand Matthias Lang in seiner kurzen Rede. „Wir gedenken der zwei Menschen, die diesem Haus zu Beginn des 20. Jahrhunderts seine Form gegeben und hier zumindest zeitweise ein glückliches Zuhause gefunden haben. Und wir tun dies gemeinsam mit den jungen Mädchen und Müttern, die heute in diesem Haus ein Zuhause finden und es mit kunterbuntem Leben erfüllen.“
Wie dieses Leben aussieht, das erzählte Marie aus der Wohngruppe in ein paar kurzen Worten, davon konnten sich die Schüler des Lößnitzgymnasiums und Nina Wach aber schon vor der feierlichen Stolperstein-Übergabe selbst ein Bild machen. Die Enkeltochter des jüngsten Bruders von Felix Wach war extra nach Radebeul gekommen und hatte auch Zeit für ein Gespräch mit den jungen Menschen und einen Rundgang durch das Haus ihrer Vorfahren mitgebracht. Es war für beide Seiten spannend zu erfahren, welche Erinnerungen Nina Wach an ihre Tante Susanne Heigl-Wach noch hat und wie wir nach der Wende mit dieser Tante in Kontakt getreten sind.
Sie wollte damals viel über uns wissen und war sehr froh über die soziale Nutzung des Hauses. In einem Brief an die Stadtverwaltung Radebeul vom 24. Mai 1992 schrieb sie: „Ich stehe seit einiger Zeit mit Frau Härtelt in schriftlicher Verbindung und hoffe sehr, dass das Kinderheim erhalten werden kann!“
Dank der Großzügigkeit von Susanne Heigl-Wach und dem Entgegenkommen der Stadt Radebeul ist es tatsächlich so gekommen: Nach erfolgreichen Verhandlungen und einem Restitutionsausgleich blieb die Stadt Eigentümerin von Haus und Grundstück und sicherte damit die Zukunft der hier untergebrachten Kinder und Jugendlichen.
Nina Wach bestätigte aus ihrer persönlichen Erfahrung, dass Susanne Heigl-Wach nie in der Vergangenheit stecken geblieben ist, sondern immer nach vorn geblickt hat. Und auch sie selbst betonte in ihrer kurzen Rede, wie wichtig es sei, die Gegenwart auf Menschlichkeit und Toleranz auszurichten.
Radebeuls Oberbürgermeister Bert Wendsche nahm das Datum der Übergabe, den 17. Juni, zum Anlass, um an die friedliche Revolution und den Kampf um Grundrechte zu erinnern, der immer auch die Verpflichtung mit sich bringt, für diese Rechte einzustehen und sich gegen Ausgrenzung und Diskriminierung zu wenden.
Die neuen Stolpersteine für Felix und Katharine Wach können dazu beitragen. Bis zur Fertigstellung der Straßenbaumaßnahme auf dem Augustusweg „wandern“ diese Steine jetzt durch die Radebeuler Schulen, um die Erinnerung in der jungen Generation wach zu halten. Nach der tatsächlichen Verlegung übernimmt die „Wach’sche Villa“ die Patenschaft für die Steine und wird dafür sorgen, dass Besucher und Spaziergänger hier ein sichtbares Zeichen der Erinnerung an die früheren Besitzer finden.
Noch einmal in den Worten von Antonia: „Wir müssen reden! Über die Vergangenheit und die Zukunft. Und wir sollten Wiedergutmachung leisten durch Gedenken, Erinnerung und Reden, egal wie viel Zeit zwischen damals und heute liegt.“