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In manchen Wohngruppen warten Jugendliche monatelang auf ihr Hilfeplangespräch, weil die Mitarbeitenden im Jugendamt priorisieren müssen und aktuell nur Zeit für Krisengespräche haben.

Kinder in Not: Jugendhilfe am Limit

Die WDR-Dokumentation „Jugendämter in Not: Kinder in Gefahr?“ zeichnet ein alarmierendes Bild der Lage der Jugendämter in Deutschland. Die Belastung der Mitarbeitenden sowie die strukturellen Defizite bedrohen die Erfüllung des gesetzlichen Auftrags zum Schutz des Kindeswohls. Auch in Sachsen spitzt sich die Lage aus Sicht der Diakonie Sachsen und der Kinderarche Sachsen zunehmend zu. Der evangelische Wohlfahrtsverband und der Träger für Kinder- und Jugendhilfe fordern daher dringende Maßnahmen, um das System der Kinder- und Jugendhilfe zu stabilisieren und Kinder in Not besser zu schützen.

Fachliche Einschätzung der Lage der Jugendämter in Sachsen

Die Jugendämter in Sachsen stehen vor mehreren gravierenden Herausforderungen: Neben dem Personalmangel und der Überlastung der Jugendämter fehlt es an Pflegefamilien und anderen passenden Unterbringungsmöglichkeiten. Christin Dörbeck, zuständige Referentin der Diakonie Sachsen, erklärt: „Etwa 10 Prozent der Stellen im Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) sind zum Beispiel im Jugendamt der Stadt Leipzig unbesetzt. Die massive Überlastung der verbleibenden Mitarbeitenden ist eine Folge davon. Viele sind krank, die Fluktuation ist hoch, und Familien, die Hilfe benötigen, fallen durch das Raster. Die Jugendämter arbeiten oft nur noch in einer Notbesetzung. Die Auswirkungen auf betroffene Kinder sind verheerend.“ Für Ratsuchende bedeutet dies schlechte Erreichbarkeit, langsame Fallbearbeitung und wechselnde Vertretungen.

In betreuten Familien gibt es komplexe Problemlagen, wie Gewalt oder Drogen. Zudem sind die pädagogischen Fachkräfte mit starken Verhaltensauffälligkeiten konfrontiert, die zur Folge haben, dass eine Unterbringung erschwert wird. Christin Dörbeck berichtet: „Wegen fehlender Bereitschaftspflegefamilien für die jüngsten Kinder und dem mangelhaften Zustand der Kinder- und Jugendnotdienste einiger öffentlicher Träger verzichten viele Mitarbeitende lange auf eine Inobhutnahme, da die Betreuung dieser besonders vulnerablen Gruppe als unzureichend eingestuft wird.“

Diese vielfältigen Probleme erschweren es den Jugendämtern in Sachsen, ihren gesetzlichen Auftrag zum Schutz des Kindeswohls angemessen zu erfüllen. Die Umsetzung bundesrechtlicher Vorgaben liegt in der finanziellen Verantwortung der Kommunen, was bei knappen Kassen zu Problemen führt.

Präventive Angebote stärken Kinder und Jugendhilfe

Die Verschlechterung der Gesamtlage macht laut Kathleen Jevlasch, Referentin für Kinder- und Jugendhilfe, präventive Maßnahmen besonders dringlich: „Die psychischen Belastungen junger Menschen haben seit der Corona-Pandemie stark zugenommen. Wir brauchen ein gut ausgestattetes Netz aus Jugendhilfeangeboten, Erziehungsberatung und therapeutischer Versorgung. Der neue Doppelhaushalt muss ein Haushalt für junge Menschen sein. Auch die Kommunen sind in der Pflicht, die Mittel für Kinder- und Jugendliche in ausreichendem Maß einzusetzen. Wenn weiterhin der Sparzwang regiert, blicken wir in eine düstere Zukunft.“

Dramatische Situation in der Praxis

Die Kinderarche Sachsen, ein Mitgliedsverband der Diakonie, spürt den Kostendruck und die Überlastung der Jugendämter in der täglichen Praxis. „In manchen Wohngruppen warten Jugendliche monatelang auf ihr Hilfeplangespräch, weil die Mitarbeitenden im Jugendamt priorisieren müssen und aktuell nur Zeit für Krisengespräche haben. Die halbjährlichen Hilfeplangespräche sind aber perspektivweisend für den weiteren Hilfeverlauf und Lebensort der Jugendlichen. Ebenfalls werden Anträge auf Kostenübernahme erst Wochen später bearbeitet und Mitarbeitende des Allgemeinen Sozialen Dienstes sind schwer erreichbar“, berichtet Kinderarche-Vorstand Matthias Lang. „Damit junge Menschen nicht nur in der Krise, sondern zu jeder Zeit gut betreut sind, brauchen wir eine funktionierende Kinder- und Jugendhilfe: mit personell und fachlich gut ausgestatteten Jugendämtern einerseits und auskömmlichen Entgelten für die freien Träger der Jugendhilfe andererseits.“

Forderungen der Diakonie Sachsen und der Kinderarche Sachsen:

1. fachlich und personell langfristig gut ausgestattete Jugendhilfeangebote wie Hilfen zur Erziehung, Offene Kinder- und Jugendarbeit, Schulsozialarbeit, Familienzentren

2. ein sachsenweit flächendeckendes Netz von Erziehungsberatungsstellen

3. dringend mehr finanzielle Mittel zur Stärkung der Jugendhilfe und zur Entlastung der Jugendämter

4. die Bereitstellung von mehr therapeutischen und klinischen Angeboten für Kinder und Jugendliche

5. eine umfassende Unterstützung von Pflegefamilien sowie den Ausbau stationärer Einrichtungen

Dietrich Bauer fasst zusammen: „Wir brauchen jetzt einen politischen Willen, der sich an den Bedürfnissen der jüngsten und verletzlichsten Mitglieder unserer Gesellschaft orientiert. Es geht um ihre Zukunft und um die Wahrung ihrer Rechte.“

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