Vorurteile – nein danke!
Luise kommt weinend aus der Schule nach Hause. „Niemand wollte mich im Sportunterricht in seiner Gruppe haben und Sebastian hat gesagt, dass ich dick wie ein Wal bin“, erzählt die Neunjährige schluchzend der Mutter.
Robin traut sich mit seiner Brille nicht zur Schule. Er hat Angst, als Streber zu gelten und verspottet zu werden. Lieber versteckt er sie im Ranzen und nimmt schlechte Noten in Kauf, da er ohne die Brille die Tafelbilder nicht erkennen kann.
Daria darf in der Puppenecke nicht mitspielen. „Du machst mit deiner schwarzen Haut die schönen Puppen schmutzig“, rufen Lilian und Bernhard.
Luise, Robin und Daria haben wie viele andere Kinder die bittere Erfahrung gemacht, aufgrund eines bestimmten, äußerlichen Merkmales gehänselt und ausgegrenzt zu werden. Vielleicht haben Sie selbst als Kind derartige Abwertungen erlebt oder Sie haben Angst, Ihrem Kind könnte solches widerfahren.
Wir Erwachsene sind in der Verantwortung, jedem Kind einen Platz in unserer gesellschaftlichen Mitte zu schaffen, an dem es sich wohlfühlen, gesund entwickeln und zu einem solidarischen, toleranten und hilfsbereiten jungen Menschen heranwachsen kann. Unsere Erziehung von heute bestimmt die Gesellschaft von morgen.
Was können wir Eltern und Erziehungsberechtigte dafür tun?
Reflektieren Sie sich selbst
Was sind Ihre Vorurteile gegenüber anderen Menschen? Woher kommen diese? Welche Vorurteile geben Sie an Ihr Kind weiter? Wie denken Sie über Menschen verschiedener Hautfarben, Religionszugehörigkeiten, Geschlecht oder Körperstatur? Vorurteile entstehen oft durch kleine Randbemerkungen, welche sich in unseren Alltag eingeschlichen haben. Sei es „Typisch Frau“, wenn jemand schlecht einparkt oder „Alle Männer sind Schweine“- hört Ihr Kind immer wieder derartige Äußerungen, wird dies Auswirkungen auf sein Bild vom anderen und eigenen Geschlecht haben. Beobachten Sie sich selbst im Alltag, um eigene Vorurteile zu erkennen und Ihr Handeln zu überdenken.
Vermeiden Sie Verallgemeinerungen und „Schubladendenken“
Kinder nehmen Bewertungen von Erwachsenen mit feinen Sinnen wahr und ziehen ihre Schlüsse daraus. Überlegen Sie deshalb genau, welche Werte Sie ihrem Kind vermitteln möchten und verzichten Sie auf Pauschalisierungen, wie „Hartz4-Empfänger sind alle zu faul zum Arbeiten“ oder Abwertungen gegenüber bestimmter Personengruppen. Beurteilen Sie das Handeln eines Menschen, nicht seine äußeren Merkmale.
Beziehen Sie Stellung gegen Diskriminierung und Ausgrenzung
Egal, ob sich die Freunde Ihres Kindes homophob äußern oder die Nachbarn rassistisch über die muslimische Familie sprechen, die neu eingezogen ist - beziehen Sie Stellung. Zeigen Sie vor Ihrem Kind, dass Diskriminierung in unserer Gesellschaft nicht stillschweigend geduldet wird, sondern hier keinen Platz hat.
Kindern altersgerechte und ehrliche Antworten geben
Viele Eltern überfordern die Fragen ihrer Kinder. Auch sind sie unsicher über „politische Korrektheit“. Ihr Kind fragt, warum die beiden Frauen sich küssen? Antworten Sie einfach, dass sich Erwachsene küssen, wenn sie sich lieb haben. Ihr Kind fragt, warum der Mann dunkle Haut hat? Antworten Sie, dass jeder Mensch anders aussieht und manche Menschen dunkle Haut haben. Solche einfachen Antworten sind nicht nur ehrlich, sie sind auch wertungsfrei und geben dem Kind zu verstehen, dass es normal ist, dass Menschen „anders“ aussehen als die bisher erlebten Bezugspersonen. Ein Grund für Vorurteile ist Unwissen. Wenn Sie über keine Informationen verfügen, dann nehmen Sie nicht einfach die Meinung anderer an, sondern informieren Sie sich selbst. Bleiben Sie neugierig, lernen Sie andere Menschen kennen, machen Sie sich ein eigenes Bild und beziehen Sie Ihr Kind in diese Prozesse mit ein.
Medien hinzuziehen
Viele Bibliotheken führen Kinderbücher, welche sich tiefer mit den Themen beschäftigen. Nicht immer wissen Eltern Antworten auf Kinderfragen. Das Lesen von Büchern bringt gemeinsame Zeit und Informationen für Eltern und Kinder.
Der TV-Sender KIKA sendet täglich in der Kindernachrichtensendung „logo! Die Welt und ich“ aktuelle Themen kindgerecht erklärt. Medienpräsente Debatten wie zum Beispiel die „Homo-Ehe“ werden wertungsfrei aufgegriffen und den Kindern altersentsprechend näher gebracht. Empfohlen ist diese Sendung ab 8 Jahren.
Die beste Vorsorge gegen Vorurteile ist die Erziehung zur eigenen Meinung. Unterstützen Sie das Selbstbewusstsein Ihres Kindes. Bringen Sie ihm bei, dass es rechtens ist, sich durchzusetzen, wenn es Ungerechtigkeit sieht. Stillen Sie die Neugier Ihres Kindes und entdecken Sie gemeinsam eine Welt voller wunderbarer Verschiedenheiten.
Jessica Köthe, Erzieherin im Mutter-Kind-Bereich und im Trainingswohnen Burgstädt
Literaturempfehlung:
- „Elefanten im Haus“ von Astrid Henn und Stephanie Schneider, Ravensburger Buchverlag, empfohlen ab 4 Jahren
- „Irgendwie Anders“ von Kathryn Cave und Chris Ridell, Oetinger Verlag, empfohlen ab 4 Jahren
- „Kind ist Kind“ von Brigitta Weninger und Eve Tharlet, Verlag MINEDITION, empfohlen ab 4 Jahren
- „Du gehörst dazu“ von Mary Hoffmann und Ros Asquit, FISCHER Sauerländer Verlag, empfohlen ab 4 Jahren