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Gabi Bluhm verteilt Blätter auf dem Tisch und bittet die Kinder, die darauf gezeichneten Muster mit den bunten Stäbchen nachzulegen. Voller Konzentration sind die Mädchen und Jungen bei der Sache.

Projektstelle schenkt „Sterntaler“-Kindern mehr Zeit

Heute hat Gabi Bluhm gleich mehrere Körbchen mitgebracht. In einem liegen bunte Stäbchen, im nächsten Klammern, im dritten große Walnüsse. Lotte, Fine, Hannah, Naemi, Phil und Benno sind gespannt: Was werden sie heute mit Gabi machen? Sie müssen nicht lange warten. Die Erzieherin verteilt Blätter auf dem Tisch und bittet die Kinder, die darauf gezeichneten Muster mit den bunten Stäbchen nachzulegen. Voller Konzentration sind die Mädchen und Jungen bei der Sache. Sie zählen: drei Ecken, vier Ecken. Sie vergleichen: Hier zeigt der Stab nach oben, hier nach unten. Sie suchen: Wo ist ein blauer Stab, wo ein gelber?

Gabi Bluhm beobachtet die sechs Kinder ganz genau. Sie merkt schnell, wo ein Kind Hilfe braucht, wo erst mal ein aufmunterndes Wort genügt, wo die Kinder sich gegenseitig unterstützen können. Weil sie Zeit hat. Weil sie nicht für eine Gruppe von 18 bis 20 Kindern verantwortlich ist, sondern sich jetzt nur mit diesen sechs beschäftigt. Seit 1. August ist Gabi Bluhm zusätzlich zum engen Personalschlüssel im Kinderhaus „Sterntaler“ im Einsatz. Die Kinderarche Sachsen als Träger der Kita hat beschlossen, eine spendenfinanzierte Projektstelle zu schaffen, die den „Sterntaler“-Kindern mehr Zeit schenkt. 

Mit dem Ende des Bundesprogramms „Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“ im Sommer 2023 ist im Kinderhaus „Sterntaler“ die zusätzliche (halbe) Sprach-Fachkraft nicht mehr finanziert worden. „Dabei war es so wertvoll, dass wir mit Gabriele Bluhm eine Erzieherin hatten, die sich mit kleinen Gruppen aus dem Kita-Trubel herausnehmen konnte und auch die Kinder zum Sprechen ermutigt hat, die sich in der großen Gruppe zurückziehen, weil sie nicht so gut mitreden können“, schätzt Kita-Leiterin Katrin Leschak ein.

Seit zwei Wochen ist Gabriele Bluhm, die zum 1. Juli offiziell in den Ruhestand verabschiedet wurde, deshalb jetzt auf Spendenbasis stundenweise bei den „Sterntalern“, um genau dort anzuknüpfen, wo das Sprach-Kita-Projekt aufgehört hatte. Sie kann sich Zeit nehmen und sich einzelnen Kindern ganz intensiv zuwenden, ihnen vorlesen, mit ihnen ins Gespräch kommen, sie individuell beobachten und fördern, Lieder singen, Reim- und Fingerspiele anbieten…

Nach den Stäbchen holt sie den Korb mit den Klammern hervor. Die Kinder würfeln nacheinander und dürfen so viele Klammern an einen Papp-Igel anstecken, wie die Augenzahl auf dem Würfel zeigt. Sie zählen, sie zwicken die Klammern an, sie nennen die Farben, sie vergleichen: Welcher Igel braucht noch Stacheln? Und welche Zahl muss man dafür am besten würfeln?

Kita-Leiterin Katrin Leschak beobachtet die kleine Lerngruppe und freut sich. „Die zusätzlichen Stunden sind ein großes Geschenk: für uns und vor allem für die Kinder“, sagt sie. „Trotzdem würden wir uns wünschen, dass wir als Träger keine Stellen aus Spenden finanzieren müssen, um Kindern die Zeit zu schenken, die sie für ihre Entwicklung so dringend brauchen.“

Im Kinderhaus „Sterntaler“ kümmern sich aktuell neun pädagogische Fachkräfte um 55 Kinder. Drei davon sind Integrationskinder, fünf werden wahrscheinlich als Schulanfänger zurückgestellt und brauchen zusätzliche Förderung. Manche sind einfach schüchtern und still und laufen im Kita-Trubel „unter dem Radar“, weil es die Lauten sind, die das Tempo bestimmen. Für all diese Kinder kann Gabi Bluhm sich jetzt Zeit nehmen, wenn sie zweimal die Woche am Vormittag in die Kita kommt. 

Die Projektstelle ist zunächst auf ein Jahr befristet. „Wir hören nicht auf, weiter für eine Verbesserung des Personalschlüssels in Sachsen zu kämpfen“, sagt Katrin Leschak. „Unsere Hoffnung ist, dass wir irgendwann keine Projektstelle aus Spenden mehr brauchen, um allen Kindern gerecht zu werden.“

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