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Seit einem knappen Jahr arbeitet Mohamad Aldyab als Betreungskraft in der Wohngruppe für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Radeberg. „Ich finde es total spannend, mit Jugendlichen zu arbeiten“, sagt er, „sie bei ihren Hausaufgaben zu unterstützen, Ausflüge und Urlaube zu planen und zu überlegen, was die jungen Menschen glücklich macht.“ 

„Mein Traum: Ein sicheres Leben für meine Familie“

Die Male, die Mohamad Aldyab seine Träume an den Nagel hängen musste, kann er kaum noch zählen. Der erste Traum von einem glücklichen Leben in seinem Heimatland Syrien scheiterte am Bürgerkrieg, der das Land seit 2011 zerreißt. Mit 24 Jahren entschied sich der junge Mann, allein aus dem Land zu fliehen, und begab sich auf eine wahre Odyssee. Über Ägypten, Äthiopien, Sudan und Instanbul, wo er zweieinhalb Jahre blieb und als Schneider in einer Textilfirma arbeitete, wollte er nach Großbritannien, wurde aber an der Grenze zu Ungarn festgenommen, kam schließlich mit einem Taxi bis Österreich und von dort nach Passau. Der erste Transfer aus der bayrischen Sammelunterkunft führte nach Chemnitz, von dort nach Meißen und schließlich nach Bautzen. 

Aus dem zweiten Traum – Großbritannien – wurde unversehens Sachsen, wo Mohamad Aldyab im Januar 2016 – vier Jahre nach seiner Flucht aus Syrien – einen Aufenthaltstitel bekam. Mit Hilfe eines Freundes suchte und fand er eine Wohnung, absolvierte einen Integrationskurs, lernte Deutsch und begann, sich selbst ehrenamtlich für Flüchtlinge zu engagieren. Er verliebte sich, begann in Dresden eine Ausbildung in einer Druckerei, bekam ein Kind. Der Traum von einer glücklichen Familie platzte in dem Moment, als seine Frau die Diagnose Hirntumor erhielt.

Von jetzt auf gleich brach der junge Vater seiner Ausbildung ab, um sich um seine Frau und seine kleine Tochter zu kümmern. Bis zu ihrem Tod im Januar 2020 pflegte er die Frau und musste sich danach als alleinerziehender Vater durchschlagen. „Das war oft sehr schwierig“, erinnert er sich, „ich war viel unterwegs, hatte Stress mit einem Nachbarn.“ Zum Glück kam eine neue Nachbarin in die Straße, die Kinder verstanden sich gleich gut, später kamen sich auch die Eltern näher. Inzwischen ist der 36-Jährige mit Maria zusammen, im Januar 2024 kam ihr gemeinsames Kind zur Welt.

Und dann kreuzte die Kinderarche Sachsen den Weg des Jobsuchenden: Für die neue Wohngruppe für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Radeberg wurden Betreuungskräfte gesucht, möglichst mit eigenen interkulturellen Erfahrungen… Auf einen Schlag hatte Mohamad Aldyab, der sich bisher vor allem mit Drucktechniken und Textilien auskannte, mit jungen Menschen zu tun, die ähnlich abenteuerliche Fluchtgeschichten erlebt hatten wie er selbst. „Ich finde es total spannend, mit Jugendlichen zu arbeiten“, sagt er nach einem knappen Jahr in der Wohngruppe, „sie bei ihren Hausaufgaben zu unterstützen, Ausflüge und Urlaube zu planen und zu überlegen, was die jungen Menschen glücklich macht.“ 

Natürlich hilft es, dass er viele Erfahrungen als Flüchtling selbst gemacht hat, arabisch spricht und deshalb auch Nuancen versteht und ausdrücken kann. Er weiß um die andere Mentalität in Deutschland, aber er hat sie schätzen gelernt. „Ich finde deutsche Regeln gut“, betont er, „sie sorgen für Ordnung und eine hohe Lebensqualität.“ Den Jungs, die er jetzt in der Wohngruppe betreut, muss er das oft erst mal erklären: „Wenn ihr hier bleiben möchtet, dann müsst ihr euch integrieren und an die Regeln halten.“

Die meisten beherzigen seinen Rat, geben sich viel Mühe, setzen sich auch nach der Schule noch hin, um Deutsch zu lernen, wollen hier wirklich ankommen. Ihr Betreuer ist da ein gutes Vorbild für sie, denn auch er hat sich durchkämpfen müssen, ehe er im letzten Jahr die deutsche Staatsbürgerschaft zugestanden bekam. Seine eigene Geschichte ist nicht nur belastend, sondern tatsächlich auch eine Kraftquelle. Denn obwohl so viele seiner Träume gescheitert sind, hat er immer erlebt: Es geht weiter.

„Man muss geduldig sein, zuversichtlich, ausdauernd und dranbleiben an seinen Wünschen“, ist er deshalb überzeugt. Und hat natürlich wieder einen Traum: „Ich wünsche mir ein sicheres Leben für meine Familie.“

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