Auch Kinder spüren die Symbolkraft des Lichts und tragen ihre Laterne mit Stolz. Die Martinsumzüge sind ein guter Anlass, um Gemeinschaft zu erleben und der dunklen Jahreszeit einen Hoffnungsschimmer entgegenzusetzen.
St. Martin und die Laternenumzüge
„Ich geh mit meiner Laterne und meine Laterne mit mir (…)“. Im Herbst, wenn die Tage kürzer werden, spätestens nach der Zeitumstellung Ende Oktober singen wir dieses Lied mit unseren Kindern. Viele kennen sicher auch „Laterne, Laterne, Sonne, Mond und Sterne (…)“ und im religiösen Umfeld kommen noch verschiedene Martinslieder hinzu. Verbunden sind diese Lieder mit den bei Kindern sehr beliebten Laternen- oder Martinsumzügen, die im November stattfinden. Doch was haben Laternen eigentlich mit dem Heiligen Martin zu tun und warum gehen wir gerade zu dieser Zeit im Jahr Laternelaufen?
Traditionell finden Martinsumzüge am 11. November, dem Tag der Beerdigung des heiligen Martin (317-379) statt. Durch seine Geburt war Martin, der seine Kindheit in Norditalien verbrachte, ein Leben als Soldat vorherbestimmt. Allerdings interessierte sich Martin bereits in jungen Jahren für das Christentum und galt als bescheiden und empathisch, was dem soldatischen Leben entgegenstand.
Die Geschichte, welche in zahlreichen Liedern besungen wird, ereignete sich, als Martin noch ein junger Mann war. An einem kalten Wintertag teilt Martin seinen warmen Soldatenmantel mit einem Bettler und rettet den Mann so vor dem Erfrieren. Im Traum erscheint Martin daraufhin Jesus Christus in eben jenem halben Mantelteil. Das nahm Martin zum Anlass, sein Leben zu ändern und sich dem christlichen Glauben sowie praktizierter Nächstenliebe zu widmen.
Als Mönch lebte er in verschiedenen Einsiedeleien in Europa. Schließlich wurde er zum Bischof von Tours in Frankreich ernannt und wirkte 30 Jahre lang als guter Hirte und Vorbild für die Menschen. Seinem bescheidenen und großzügigen Lebensstil blieb er treu, weshalb er allseits beliebt war und geschätzt wurde. Am 11. November 379 begleitete ihn ein riesiger Trauerzug zur letzten Ruhe.
Auch später sollen die Menschen an Martins Grab Lichterumzüge veranstaltet haben, woraus sich dann der Brauch des Laternelaufens entwickelt haben könnte. Nach seinem Tod wurde Martin vom Papst heiliggesprochen und gilt seither als Schutzpatron der Reisenden und Armen sowie verschiedener Berufe. Im christlichen Kontext wird die Geschichte der Mantelteilung am Martinstag erzählt oder nachgespielt. Meist wird auch etwas unter der Gemeinde geteilt, z.B. Martinshörnchen, um die zentrale Botschaft der Nächstenliebe (Leid anderer wahrnehmen, vom Eigenen etwas abgeben) durch eigenes Erleben erfahrbar zu machen.
Die Verbindung zum Licht der Laternen kann so erklärt werden, dass Helfen und Teilen als herzerwärmendes Tun Freude, Licht und Wärme in die Welt bringen. Wie das Licht der Laternen kann gelebte Nächstenliebe einen guten Weg weisen, unser Zusammensein erleuchten und erwärmen. Eine weitere Geschichte aus dem Leben des heiligen Martin besagt, dass er sich nachts in einem Gänsestall versteckte, als man ihn zum Bischof ernennen wollte. Um ihn finden zu können, begaben sich die Menschen mit Laternen auf die Suche nach ihm. Auch dies könnte ein Ursprung des Laternelaufens sein.
Doch auch ohne die Geschichte vom Heiligen Martin spielte das Licht, früher vor allem das Kerzenlicht, ab November eine wichtige Rolle im Leben der Menschen. Wie die Menschen den Winter früher erlebt haben, können wir uns heute nur noch schwer vorstellen. Abseits von wärmendem Feuer und Kerzenlicht herrschte absolute Dunkelheit. Der Winter war lebensfeindlich, unwirtlich und Licht wurde überlebensnotwendig. Die Abende verbrachten Gemeinschaften am Feuer, wo geredet und Handarbeiten verrichtet wurden. Licht war teuer und kostbar und wurde in Gemeinschaft genossen und zelebriert.
Zum Teil wurde der 11. November als Winteranfang verstanden, er war der letzte Tag der Ernte von Korn und Wein. Zum Dank für die Ernte des zu Ende gehenden Jahres wurden Erntefeste gefeiert und auf den abgeernteten Feldern große Feuer entfacht. An den Feuern entzündeten die Kinder Fackeln oder andere kleine Lichter, um mit ihnen durch die Ortschaften zu gehen und um Gebäck oder Obst zu bitten.
Leuchtende Lichter in der Dunkelheit lösen in jedem von uns Empfindungen wie Hoffnung, Wärme, Zugehörigkeit aus. Auch Kinder spüren diese Symbolik des Lichts, welche in ihrer unmittelbaren Wirkung jenseits rationalen Verstehens liegt. Ganz sicher trägt jedes Kind seine Laterne mit Stolz, egal ob selbstgebastelt oder gekauft, elektrisches oder Kerzenlicht. Laternenumzüge sind ein willkommener Anlass, um Gemeinschaft zu erleben und der beginnenden dunklen Jahreszeit schon zu Beginn einige leuchtende Hoffnungsschimmer auf die Wiederkehr von Licht und Wärme entgegenzusetzen.
Susan Schmiege, Ökumenisches Kinderhaus Radebeul
Quellen
Lehner, Monika (2011): St. Martin feiern mit Ein- bis Dreijährigen. München, Don Bosco Medien GmbH
Hänel, Dagmar (2020): „Licht steht für das Göttliche, die Dunkelheit für Böses“. www.evangelisch.de/inhalte/77649/02-02-2020/licht-goettliche-brauch, zuletzt besucht am 28.10.2022
Lindauer, Tanja (2020): Martinsumzug: Wer war der Heilige Sankt Martin? www.helles-koepfchen.de/artikel/3255.html, zuletzt besucht am 28.10.2022