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Angelika Welke

Zeit, Zuhören, Zutrauen: Damit schaffen Großeltern den Raum für ein gutes Miteinander.

Vom Glück, das Enkelchen zu schmusen – Großeltern werden

„Ein neugeborenes Kind im Arm halten zu dürfen, das Kind Deiner Kinder ist, berührt zutiefst“, sagt Margot Käßmann in ihrem Buch „Enkelglück“.

Ein Kinderarche-Knigge für Groß-Eltern?

Ja, weil Großeltern-Werden eine ganz besondere Form von Elternschaft ist und Elternschaft nicht damit endet, plötzlich ein Enkelkind kennenzulernen. Oma und Opa finden sich in einer Rolle wieder, die vielleicht zu erwarten war und doch so ungeahnt tief berührt, beglückt und gleichzeitig auch verunsichern kann. Sie erleben ihre eigenen Kinder in einer Lebensphase, die alles verändert. Erinnerungen werden wach und neben dem Glück, so ein kleines menschliches Wunderwerk in den Armen zu wiegen – das Kind des eigenen Kindes – entsteht ein tiefes Mitfühlen mit den frischgebackenen Eltern und gleichzeitig ein Neu-Fühlen der eigenen Rolle und des Älterwerdens.

Experten beobachten: Noch nie waren sich Großeltern und Enkel so nah wie heute. Die Generationen sind füreinander da, wenn sie sich brauchen. Oma und Opa reisen etwa an, wenn das Kind krank ist oder die Kita mal zu hat. Aber ist das so einfach? Und was, wenn die eigenen Kinder lauter Sachen machen, die man insgeheim nur mit Augenrollen ertragen kann oder ganz, ganz anders machen würde oder gar gemacht hat? Was, wenn man sich Sorgen um das Enkelchen macht, weil man das Gefühl hat, die Eltern seien überfordert oder der Erziehungsstil einfach unerträglich?

Das sind bewegende Fragen – und doch kann es gelingen, füreinander da zu sein und die jungen Eltern zu unterstützen, ohne sie zu überfahren. Hierfür erscheint es sehr hilfreich, sich an das eigene Elternwerden und -sein zu erinnern. Welche Unterstützung hat damals gutgetan? Und warum? Diese Erinnerungen sind Gold wert, denn sie helfen uns, unseren erwachsenen Kindern in ihrer aufregenden Zeit zuzuhören und gelassener auf das einzugehen, was gerade gebraucht wird, ohne es besser zu wissen zu wollen oder ungefragt Rat-Schläge zu geben.

Unterstützung in den ersten Monaten

Wissen Sie noch, wie es sich anfühlte, plötzlich Eltern zu sein, nichts war mehr wie vorher, vielleicht hat ein ganzes Orchester den Baby-Blues gespielt, während der Abwasch sich bedenklich zum Turm erhob und der kleine Erdenbürger keine vier Stunden auf die nächste Mahlzeit warten wollte? Es kann eine große Entlastung sein, behutsam Unterstützungsbereitschaft zu signalisieren, nachzufragen, ob Hilfe gebraucht wird, und sich anzubieten. Eltern und Kind brauchen Zeit, sich kennenzulernen und wahrzunehmen. Es hilft ganz besonders, Dinge zu übernehmen, die gemeinsame Zeit möglich machen. Z.B. eben den Abwasch zu erledigen oder eine warme Mahlzeit zu kochen. Und auch, wenn es einen in der großelterlich beglückten Seele und den Fingern juckt, das kleine Menschlein immer wieder zu kuscheln und zu schmusen, ist es ein Zeichen von liebevoller Akzeptanz, darauf zu warten, dass man als Oma oder Opa eingeladen wird, mal zu übernehmen, das Wickeln zu üben oder eine Runde mit dem Kinderwagen durch den Park zu gehen.

Zuhören, ohne zu bewerten

Haben Sie ein offenes Ohr für tausenderlei Fragen – ohne sie in irgendeiner Form zu bewerten. Alle Fragen sind erlaubt und brauchen eine annehmende Beantwortung oder eine Idee, wo oder wodurch sie zu beantworten wären. Die meisten Eltern hören vor der Geburt die wunderbaren Geschichten des großen Kinderglücks und finden sich dann gar nicht gleich in diesem großen Glück wieder, sondern sind unsicher, haben Probleme mit den Gefühlen oder einen großen Stress. Das alles ist normal, schließlich fahren sämtliche Hormone für eine Frau nach der Geburt Achterbahn. Das Kind muss mit einer Außenwelt klarkommen, vielleicht klappt das Stillen nicht gleich und der andere Elternteil versucht, irgendwie alles aufzufangen. Ausschlafen – Fehlanzeige. In dieser Phase des Zusammenfindens ist eine freundliche, beruhigende und wertfreie Annahme all dessen, was Ihnen anvertraut wird, von essentieller Bedeutung. Die jungen Eltern erfahren, dass man an denselben Fronten gekämpft hat, die gleichen Herausforderungen meistern musste und keineswegs immer erfolgreich war. So können wunderschöne, generationenverbindende Gespräche darüber entstehen, wie man die eigene Mutter- oder Vaterschaft erlebt hat und dass die meisten Hürden nicht einzigartig sind. Das macht sie vielleicht nicht unbedingt leichter, aber normaler und damit überwindbar.

Das eigene Leben aufrechterhalten

Großeltern heute sind berufstätig, eingebunden in ein eigenes soziales und kulturelles Leben. Hier eine Balance zu finden zwischen dem Bedürfnis, möglichst häufig Kontakt zum Enkelkind zu haben und gleichzeitig die eigenen Erlebensräume zu bewahren, ist eine höchst individuelle Angelegenheit. Hören Sie auf Ihr Bauchgefühl und vertrauen Sie darauf, dass sich beides sehr anregend und sinnvoll miteinander verbinden lässt. Aktive und interessierte Großeltern sind spannend und häufig verständnisvoller, wenn es z.B. darum geht, Kontakt über moderne Medien zu halten oder von den Enkelkindern Neues zu lernen.

Kontakt zum Enkelkind pflegen

Dafür braucht es einen guten Kontakt. Wissen Sie noch, wie häufig Sie Ihre Oma oder Ihren Opa von sich aus kontaktiert haben? Die Kinder unserer Kinder sind mit vielen Dingen beschäftigt. Großwerden, sich zurechtfinden, mit Mama und Papa klarkommen, Schule, Freunde und so weiter. Manchmal kommt eine große Patchwork-Familie dazu, in der es vier Omas und vier Opas gibt. Es ist also an Ihnen, Kontakt zu suchen und zu halten. So kann eine schöne und intensive Bindung entstehen, in der Gespräche möglich sind und das großelterliche Verwöhnen nicht zu kurz kommt. Für letzteres ist es notwendig, gemeinsam mit Ihren Kindern Regeln festzulegen, um grundlegende Anliegen der Eltern nicht zu untergraben, z.B. die Ernährung betreffend oder Grenzen des Medienkonsums.

Wichtig für die Pflege eines guten und tragfähigen Kontaktes ist es auch, die Zeiten mit Ihrem Enkelkind großherzig zu teilen. Vielleicht haben Sie ja nicht den schicken Pool im Garten und Ihr Enkelkind verbringt im Sommer lieber Zeit da, wo es baden kann. Oder Opa ist ein Kenner all dessen, was da kreucht und fleucht, und trifft damit genau den Nerv seines Enkelkindes, sodass die beiden viel Zeit miteinander verbringen. Üben Sie sich in Gelassenheit und genießen Sie die gemeinsamen Zeiten intensiv und mit dem, was Sie ausmacht. Kinder spüren auf emotionaler Ebene deutlich, wenn sie gezogen oder vereinnahmt werden sollen. Das ist nicht nötig. Was Sie Ihren Enkelkindern mitgeben, ist genauso einzigartig, wie das, was jedes Ihrer Enkelkinder Ihnen entgegenbringt. Vertrauen Sie auf sich und das, was Ihnen wichtig ist.

Und – vertrauen Sie Ihren Kindern – diese sind die Experten für den kleinen Erdenbürger. Dieses Vertrauen ist die Basis für jeden guten Kontakt und schafft Raum für ein Miteinander, in dem Beziehung mit all ihren Facetten Platz findet.

Lassen wir zum Schluss noch einmal Margot Käßmann zu Wort kommen: „Mit den Enkeln kann es ganz anders sein. Du hast die Zeit oder nimmst sie dir bewusst. Ich habe mit einer Enkelin einmal zwei Stunden Hühnern zugeschaut…Da war nichts von der Ungeduld früherer Jahre, sondern stattdessen schlicht ein Bewusstsein vom Glück des Augenblicks.“

Angelika Welke, Einrichtungsleiterin der Integrativen Familienbegleitung 

Literatur

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