Wie sieht ein richtiger Medienkonsum aus und was brauchen Kinder, um gut mit schlechten Nachrichten umgehen zu können? Die Antwort ist immer: gute Begleitung durch ihre Eltern.
Wieviel (schlechte) Nachrichten in den Medien vertragen Kinder?
Kennen Sie das? Der Kindergartentag ist zu Ende, die Kinder sitzen im Auto und freuen sich auf das Erzählen vom Tag. Beim Losfahren verkündet der Sprecher im Autoradio: „Es ist 15 Uhr – hier kommen die aktuellen Nachrichten…" Es folgt eine Bandbreite an negativen Nachrichten über Corona-Fallzahlen, neue Angriffe im Ukrainekrieg und eine Flutkatastrophe in Indien. Statt des gemütlichen Kaffeetrinkens zu Hause löchern die Kinder Sie jetzt mit Fragen wie „Können wir auch an Corona sterben?", „Was passiert mit all den Tieren in Indien, die nicht gerettet werden", „Haben die Kinder in der Ukraine jetzt noch einen Kindergarten?" Sie versuchen, einige Fragen zu beantworten, lenken vom Thema ab und ärgern sich darüber, das Autoradio nicht ausgemacht zu haben. Beim Zubett-Gehen fällt den Kindern das Einschlafen schwer oder sie wachen in der Nacht auf.
Folglich lautet Ihr Tipp für künftige Eltern im Freundeskreis: keine Nachrichten anhören, keine Zeitung offen liegen lassen, beim Fernsehen wegschalten und die Kinder vor allen negativen Meldungen der Welt fernhalten und beschützen. Achtung Fake-News! Sie wissen vermutlich schon, dass das nicht geht und für die langfristige Entwicklung nicht gut ist. Kinder von den Nachrichten fernzuhalten, ist unrealistisch und für die Kinder selbst sogar problematisch Denn wenn Kinder mitbekommen, dass die Eltern ihnen etwas verschweigen, macht ihnen das unter Umständen noch mehr Angst. Strategien zum richtigen Umgang damit werden nicht erprobt. Auch die Resilienzfähigkeit – das psychische Immunsystem der Kinder – kann so nicht gestärkt werden.
Aber wie sieht dann ein richtiger Medienkonsum aus und was brauchen Kinder, um gut mit schlechten Nachrichten umgehen zu können?
Entscheidend für den Medienkonsum von Nachrichten ist sowohl das Kindesalter und die erlernte Widerstandsfähigkeit als auch die Häufigkeit und Qualität der Medien.
Kleinkinder: Vor Nachrichten schützen
Oftmals läuft gerade bei Kleinkindern (0 – ca. 4 Jahre) der Fernseher, das Radio oder WhatsApp-Status auf dem Handy nebenbei – davon ausgehend, dass die Kleinen es eh nicht verstehen. Das ist leider falsch. Die Kinder verstehen die Zusammenhänge und das Ausmaß nicht und können es nicht einordnen. Die Bilder und Worte lassen aber Fragen entstehen und lösen Ängste aus. Bei kleinen Kindern steigt mit jeder Schreckensmeldung (noch stärker als bei Erwachsenen) die Angst, auch in so eine Situation zu geraten. Dabei gilt, je stärker (also brutaler) die Bilder, umso stärker ist die Angst. Wichtig ist hier zu wissen, dass Kinder noch nicht gelernt haben, mit dieser Angst umzugehen. Für die Praxis bedeutet dies tatsächlich, die Zeitung wegzuklappen, später zu lesen oder die Kinderseite hinzulegen, den Fernseher beim gemeinsamen Essen nicht mit Nachrichten laufen zu lassen (oder besser noch ganz ohne), den Sender im Autoradio zu wechseln oder kurz leiser zu drehen.
Grundschulkinder: Kindgerechte Nachrichten gemeinsam anschauen
Sobald die Kinder anfangen, Fragen zu stellen (5 – 10 Jahre), und die Welt verstehen wollen, sind Kindernachrichten und kindgerechte Wissenssendungen ein guter Anfang. Wobei hierbei auch gilt, bitte nicht als Dauerschleife oder permanente Beschallung nebenbei. Lieber gezielt als Ritual im Tagesrhythmus mit einbauen und am besten noch gemeinsam mit einer Vertrauensperson verfolgen. Die Erwachsenen kommen auch dabei nicht aus ihrer Vorbildrolle raus. Wie gehen wir selber mit den Meldungen um. Können wir Fragen beantworten? Wird geschimpft, geflucht, gemeckert? Sind wir tief betroffen, traurig und zeigen selber Angst? Unsere Reaktionen dürfen nicht noch zusätzliche Ängste und Unsicherheiten bei den Kindern verursachen. Gefühle können gezeigt werden, aber man sollte sich nicht zu sehr mitreißen lassen und wertfrei das Gesehene kommentieren ohne Spekulationen.
Ab zehn Jahren: Reflektierte Mediennutzung und im Gespräch bleiben
Wissenschaftler gehen davon aus, dass komplexe Nachrichten erst ab einem Alter von 10 Jahren geeignet sind. In diesem Alter können Zusammenhänge erklärt werden und der emotionale Schutzpanzer ist schon gut ausgebildet. Aber auch hier gilt dies nicht bei jedem Kind gleich. Die Resilienzfähigkeit – das Schutzschild der psychischen Gesundheit – ist bei jedem Menschen anders ausgeprägt. In der Praxis bedeutet dies individuelle Regeln für jede Familie, jedes Kind. Nicht jeder Tipp von Freunden muss der richtige für mich sein. Achten Sie auf die Bedürfnisse Ihres Kindes.
Verschiedene Studien haben mittlerweile gezeigt, dass auch größere Kinder und Jugendliche durch eine immer wiederkehrende negative Nachrichtenlage bewusst oder unbewusst Stress erleben, hoffnungs- und teilnahmslos reagieren sowie unter Depressionen und anderen psychischen Krankheiten leiden. Wie der Psychologe Leon Windscheid betont, ist das Fass der jungen Generation bildlich gesprochen schon jetzt zu voll. Jugendliche und junge Erwachsene fühlen sich aktuell im Dauer-Krisen-Angst-Modus. Dies führt zu Zukunftsängsten, Hoffnungslosigkeit und dem oft benutzen Satz „Bringt doch eh nix." Aus Sicht des Psychologen Windscheid ist es essentiell, dass wir lernen, mit unseren Gefühlen umzugehen, auch negative Gefühle positiv zu nutzen und ihnen nicht so viel Raum zu geben. Probleme und negative Meldungen gehören zum Leben dazu. Entscheidend ist, wie wir damit umgehen.
Im Alltag mit Jugendlichen heißt das: Auch für Teenager sind Zeitbeschränkungen auf dem Handy über Apps wie Family Link sinnvoll, und der Medienkonsum sollte regelmäßig hinterfragt werden (Was siehst du? Was bewegt dich?).
Checkliste für den Umgang mit Medien in der Familie
Zusammengefasst für den Medienkonsum von (schlechten) Nachrichten bei Kindern kann sich jede Familie selbst überprüfen:
Schauen die Kinder das richtige Format fürs richtige Alter (Achtung: vor allem Bilder haben eine starke, nicht zu unterschätzende Wirkung)?
Gibt es klare kontrollierbare Regeln für die Häufigkeit und Art des Medienkonsums?
Schauen / Hören / Lesen wir möglichst oft gemeinsam Nachrichten (gilt auch für Teenis)?
Lassen wir Gefühle zu (eigene und die der Kinder), benennen wir Gefühle, reden wir darüber?
Haben wir die psychische Gesundheit – das seelische Immunsystem (Resilienz) – der Kinder von Beginn an gut gefördert, indem es mindestens eine feste vertrauensvolle Bindungsperson gibt und der demokratische Erziehungsstil von Akzeptanz und Wertschätzung geprägt ist?
Geben wir bewertete Antworten als eigene Meinung vor oder lassen wir Fragen stellen?
Regen wir mit Fragen zum Nachdenken und zur Entwicklung von Lösungen an?
Bieten wir nur harte Fakten oder auch Varianten und mögliche Perspektiven an?
Bauen wir regelmäßig die Grundfrage „Und was jetzt?" mit ein in unsere Gespräche, um zum Aktivismus anzuregen?
Vor allem freie Journalisten fangen an, die Perspektivfrage „Und was jetzt?" in ihre Berichterstattung einzubauen und recherchieren auch mögliche Lösungsansätze. So bleibt nicht das Negative hängen, sondern es wird der Weg aus der Krise gesucht. Wenn das den Medien verstärkt gelingt, dann besteht auch Hoffnung für die Kinder und Jugendlichen, einen guten Umgang mit negativen Nachrichten zu finden und mit der Frage „Und was jetzt?" optimal durch die Krisen und Probleme des Lebens zu kommen. Geben wir den jungen Menschen wieder mehr Hoffnung und lenken unsere Aufmerksamkeit auf einen sorgsamen Medienkonsum, die Stärkung der sozialen Kompetenzen und die Pflege des seelischen Immunsystems!
Bianca Beyer, Dipl.-Sozialpädagogin im Naturkinderhaus Mulda
Quellen: Interview mit Leon Windscheid in der ARD Mediathek, Bildungsserver Sachsen, www.familie.de, www.kita.de
Kennen Sie das? Der Kindergartentag ist zu Ende, die Kinder sitzen im Auto und freuen sich auf das Erzählen vom Tag. Beim Losfahren verkündet der Sprecher im Autoradio: „Es ist 15 Uhr – hier kommen die aktuellen Nachrichten…" Es folgt eine Bandbreite an negativen Nachrichten über Corona-Fallzahlen, neue Angriffe im Ukrainekrieg und eine Flutkatastrophe in Indien. Statt des gemütlichen Kaffeetrinkens zu Hause löchern die Kinder Sie jetzt mit Fragen wie „Können wir auch an Corona sterben?", „Was passiert mit all den Tieren in Indien, die nicht gerettet werden", „Haben die Kinder in der Ukraine jetzt noch einen Kindergarten?" Sie versuchen, einige Fragen zu beantworten, lenken vom Thema ab und ärgern sich darüber, das Autoradio nicht ausgemacht zu haben. Beim Zubett-Gehen fällt den Kindern das Einschlafen schwer oder sie wachen in der Nacht auf.
Folglich lautet Ihr Tipp für künftige Eltern im Freundeskreis: keine Nachrichten anhören, keine Zeitung offen liegen lassen, beim Fernsehen wegschalten und die Kinder vor allen negativen Meldungen der Welt fernhalten und beschützen. Achtung Fake-News! Sie wissen vermutlich schon, dass das nicht geht und für die langfristige Entwicklung nicht gut ist. Kinder von den Nachrichten fernzuhalten, ist unrealistisch und für die Kinder selbst sogar problematisch Denn wenn Kinder mitbekommen, dass die Eltern ihnen etwas verschweigen, macht ihnen das unter Umständen noch mehr Angst. Strategien zum richtigen Umgang damit werden nicht erprobt. Auch die Resilienzfähigkeit – das psychische Immunsystem der Kinder – kann so nicht gestärkt werden.
Aber wie sieht dann ein richtiger Medienkonsum aus und was brauchen Kinder, um gut mit schlechten Nachrichten umgehen zu können?
Entscheidend für den Medienkonsum von Nachrichten ist sowohl das Kindesalter und die erlernte Widerstandsfähigkeit als auch die Häufigkeit und Qualität der Medien.
Kleinkinder: Vor Nachrichten schützen
Oftmals läuft gerade bei Kleinkindern (0 – ca. 4 Jahre) der Fernseher, das Radio oder WhatsApp-Status auf dem Handy nebenbei – davon ausgehend, dass die Kleinen es eh nicht verstehen. Das ist leider falsch. Die Kinder verstehen die Zusammenhänge und das Ausmaß nicht und können es nicht einordnen. Die Bilder und Worte lassen aber Fragen entstehen und lösen Ängste aus. Bei kleinen Kindern steigt mit jeder Schreckensmeldung (noch stärker als bei Erwachsenen) die Angst, auch in so eine Situation zu geraten. Dabei gilt, je stärker (also brutaler) die Bilder, umso stärker ist die Angst. Wichtig ist hier zu wissen, dass Kinder noch nicht gelernt haben, mit dieser Angst umzugehen. Für die Praxis bedeutet dies tatsächlich, die Zeitung wegzuklappen, später zu lesen oder die Kinderseite hinzulegen, den Fernseher beim gemeinsamen Essen nicht mit Nachrichten laufen zu lassen (oder besser noch ganz ohne), den Sender im Autoradio zu wechseln oder kurz leiser zu drehen.
Grundschulkinder: Kindgerechte Nachrichten gemeinsam anschauen
Sobald die Kinder anfangen, Fragen zu stellen (5 – 10 Jahre), und die Welt verstehen wollen, sind Kindernachrichten und kindgerechte Wissenssendungen ein guter Anfang. Wobei hierbei auch gilt, bitte nicht als Dauerschleife oder permanente Beschallung nebenbei. Lieber gezielt als Ritual im Tagesrhythmus mit einbauen und am besten noch gemeinsam mit einer Vertrauensperson verfolgen. Die Erwachsenen kommen auch dabei nicht aus ihrer Vorbildrolle raus. Wie gehen wir selber mit den Meldungen um. Können wir Fragen beantworten? Wird geschimpft, geflucht, gemeckert? Sind wir tief betroffen, traurig und zeigen selber Angst? Unsere Reaktionen dürfen nicht noch zusätzliche Ängste und Unsicherheiten bei den Kindern verursachen. Gefühle können gezeigt werden, aber man sollte sich nicht zu sehr mitreißen lassen und wertfrei das Gesehene kommentieren ohne Spekulationen.
Ab zehn Jahren: Reflektierte Mediennutzung und im Gespräch bleiben
Wissenschaftler gehen davon aus, dass komplexe Nachrichten erst ab einem Alter von 10 Jahren geeignet sind. In diesem Alter können Zusammenhänge erklärt werden und der emotionale Schutzpanzer ist schon gut ausgebildet. Aber auch hier gilt dies nicht bei jedem Kind gleich. Die Resilienzfähigkeit – das Schutzschild der psychischen Gesundheit – ist bei jedem Menschen anders ausgeprägt. In der Praxis bedeutet dies individuelle Regeln für jede Familie, jedes Kind. Nicht jeder Tipp von Freunden muss der richtige für mich sein. Achten Sie auf die Bedürfnisse Ihres Kindes.
Verschiedene Studien haben mittlerweile gezeigt, dass auch größere Kinder und Jugendliche durch eine immer wiederkehrende negative Nachrichtenlage bewusst oder unbewusst Stress erleben, hoffnungs- und teilnahmslos reagieren sowie unter Depressionen und anderen psychischen Krankheiten leiden. Wie der Psychologe Leon Windscheid betont, ist das Fass der jungen Generation bildlich gesprochen schon jetzt zu voll. Jugendliche und junge Erwachsene fühlen sich aktuell im Dauer-Krisen-Angst-Modus. Dies führt zu Zukunftsängsten, Hoffnungslosigkeit und dem oft benutzen Satz „Bringt doch eh nix." Aus Sicht des Psychologen Windscheid ist es essentiell, dass wir lernen, mit unseren Gefühlen umzugehen, auch negative Gefühle positiv zu nutzen und ihnen nicht so viel Raum zu geben. Probleme und negative Meldungen gehören zum Leben dazu. Entscheidend ist, wie wir damit umgehen.
Im Alltag mit Jugendlichen heißt das: Auch für Teenager sind Zeitbeschränkungen auf dem Handy über Apps wie Family Link sinnvoll, und der Medienkonsum sollte regelmäßig hinterfragt werden (Was siehst du? Was bewegt dich?).
Checkliste für den Umgang mit Medien in der Familie
Zusammengefasst für den Medienkonsum von (schlechten) Nachrichten bei Kindern kann sich jede Familie selbst überprüfen:
Schauen die Kinder das richtige Format fürs richtige Alter (Achtung: vor allem Bilder haben eine starke, nicht zu unterschätzende Wirkung)?
Gibt es klare kontrollierbare Regeln für die Häufigkeit und Art des Medienkonsums?
Schauen / Hören / Lesen wir möglichst oft gemeinsam Nachrichten (gilt auch für Teenis)?
Lassen wir Gefühle zu (eigene und die der Kinder), benennen wir Gefühle, reden wir darüber?
Haben wir die psychische Gesundheit – das seelische Immunsystem (Resilienz) – der Kinder von Beginn an gut gefördert, indem es mindestens eine feste vertrauensvolle Bindungsperson gibt und der demokratische Erziehungsstil von Akzeptanz und Wertschätzung geprägt ist?
Geben wir bewertete Antworten als eigene Meinung vor oder lassen wir Fragen stellen?
Regen wir mit Fragen zum Nachdenken und zur Entwicklung von Lösungen an?
Bieten wir nur harte Fakten oder auch Varianten und mögliche Perspektiven an?
Bauen wir regelmäßig die Grundfrage „Und was jetzt?" mit ein in unsere Gespräche, um zum Aktivismus anzuregen?
Vor allem freie Journalisten fangen an, die Perspektivfrage „Und was jetzt?" in ihre Berichterstattung einzubauen und recherchieren auch mögliche Lösungsansätze. So bleibt nicht das Negative hängen, sondern es wird der Weg aus der Krise gesucht. Wenn das den Medien verstärkt gelingt, dann besteht auch Hoffnung für die Kinder und Jugendlichen, einen guten Umgang mit negativen Nachrichten zu finden und mit der Frage „Und was jetzt?" optimal durch die Krisen und Probleme des Lebens zu kommen. Geben wir den jungen Menschen wieder mehr Hoffnung und lenken unsere Aufmerksamkeit auf einen sorgsamen Medienkonsum, die Stärkung der sozialen Kompetenzen und die Pflege des seelischen Immunsystems!
Bianca Beyer, Dipl.-Sozialpädagogin im Naturkinderhaus Mulda
Quellen: Interview mit Leon Windscheid in der ARD Mediathek, Bildungsserver Sachsen, www.familie.de, www.kita.de