Wenn wir uns auf Augenhöhe mit unserem Kind begeben und Blickkontakt suchen, kann es uns besser zuhören und verstehen.
Konsequenz statt Strafe: Liebevoll „Nein!“ sagen
Solche Szenen kennen viele Eltern: Das Kind weint und schreit, wirft sich vor Wut auf den Boden. Ben, 5 Jahre, bekommt von seiner Mutter einen Klaps auf den Po und wird mit den Worten: „Ab in dein Zimmer und du kommst erst wieder raus, wenn du wieder lieb bist!“, in sein Zimmer geschickt und die Tür geschlossen. Nach 5 Minuten kommt Ben wieder heraus und versucht sich an seine Mutter zu kuscheln. Diese stößt ihn von sich und sagt: „Nein, geh weg, du warst böse.“
Körperliche Gewalt von Eltern gegenüber ihren Kindern hat in der Erziehung nichts zu suchen und ist ein Anzeichen dafür, dass Eltern überfordert sind. Wer würde einem anderen Erwachsenen eine Ohrfeige geben, wenn dieser etwas getan oder gesagt hat, das einem nicht zusagt? Eltern sollen ihre Kinder mit Respekt behandeln und ihnen bei Bedarf ihr Verhalten mit Konsequenzen verdeutlichen. Das Verhalten und Handeln von Kindern hat immer einen Sinn und wird von Gefühlen wie Trauer, Angst, Schmerz sowie Freude geleitet.
Machtkämpfe kann keiner gewinnen
Strafen als Möglichkeit der Konfliktlösung sind auch in Erziehungsratgebern zu finden. Was kurzfristig funktioniert, zeigt sich auf lange Sicht kontraproduktiv für eine positive Eltern-Kind-Beziehung. Kinder erleben durch Strafen Demütigung, Ablehnung, Vertrauensverlust. Konfliktsituationen arten oft in Machtkämpfe aus, die keiner gewinnen kann. Kinder erleben durch Strafen eine Ablehnung sowie Demütigung und das Vertrauen geht verloren.
Das Gegenteil von Strafe ist nicht Verwöhnen, sondern Konsequenz. Diese können durchgesetzt werden, indem Sie die Regeln nachvollziehbar erklären. Sagen Sie Ihrem Kind mit einfachen Worten, was Sie meinen. Zum Beispiel: „Je länger das Aufräumen des Zimmers dauert, desto weniger Zeit bleibt für das Anschauen deiner Trickfilmserie.“ Sagen Sie auch, welche Gefühle Sie beim Verhalten des Kindes haben, und verwenden Sie keine Ironie. Für das Kind muss nachvollziehbar sein, dass auf sein Verhalten eine Reaktion, also Konsequenz, erfolgt.
Kinder brauchen Nähe und Verständnis
Stellen Sie nach Möglichkeit wenige Regeln auf und nur solche, die Sie auch durchsetzen können und werden. Das schont Ihre Nerven und schützt vor Inkonsequenz. Ben ins Zimmer zu schicken oder mit Liebesentzug zu erziehen, ist nicht sinnvoll. Besser wäre ein Gespräch, bei dem Ben gefragt wird, warum er wütend geworden ist. Eltern sollen Verständnis für die Wut oder Trauer zeigen, diese mit Ben zusammen aushalten und dem Kind zeigen, dass diese Gefühle in Ordnung sind. Das Kind braucht in diesem Moment Ihre Nähe. Nehmen Sie Ihr Kind in den Arm, dies kann in Konfliktsituationen oft Wunder bewirken.
Beziehung und Verbindung entstehen, indem wir die Bedürfnisse, die ein Kind bewegen, verstehen. Dem Kind sind seine Bedürfnisse oft nicht bewusst. Das beobachtbare Verhalten, welches das Kind zeigt, ist lediglich die in der Situation beste Strategie, die das Kind kennt, um das Befriedigen seiner Bedürfnisse sicherstellen zu können. Deshalb steht nicht das Verhalten im Mittelpunkt, sondern die Bedürfnisse dahinter. Indem eine Mutter ihrem Kind zuhört, ohne zu bewerten, und in ihren Worten wiederholt, was das Kind gesagt hat, entsteht Empathie und Verbindung.
Kommunizieren Sie auf Augenhöhe
Wichtig für das Erziehen ohne Strafen ist grundlegend eine gute Beziehung zum Kind und eine wertschätzende Art der Kommunikation. Hören Sie dem Kind zu und kommunizieren Sie auf Augenhöhe. Bei Ihrem Kind erreichen Sie das, indem Sie sich auf die Knie begeben und so in etwa gleicher Höhe mit ihm sind. Sie können ihm jetzt in die Augen sehen, Blickkontakt suchen, so dass es Ihnen zuhört und Sie besser versteht. So zeigen Sie Ihrem Kind, dass Sie ihm Ihre ganze Aufmerksamkeit schenken. Wenn es Ihnen ins Gesicht sieht, kann es aus Ihrer Mimik lesen und Ihre Worte besser nachvollziehen.
Oft ist das Verhalten vom Kind keine böse Absicht, sondern Unsicherheit. Unsere Reaktion gibt dem Kind im besten Falle nötige Sicherheit, die es braucht, um die Welt mit Neugier und ohne Angst erforschen zu können. Kinder sind grundsätzlich Teamworker, die eine Zusammenarbeit verweigern, wenn sie gekränkt werden oder überfordert sind.
Die meisten Eltern wissen nicht, wie machtvoll das Äußern von Gefühlen und Bedürfnissen ist und wie sie ihre eigenen Bedürfnisse so mitteilen können, dass das Kind sie versteht. Wenn das gelingt, entsteht gegenseitiges Verständnis. Kinder lernen über das Vorbild und bemerken Veränderungen sehr schnell. Wenn Eltern im Kontakt sind mit ihren Gefühlen und Bedürfnissen und lernen, darüber zu sprechen, lernt das Kind wiederum schnell, dass es vertrauen kann und in Sicherheit ist, wenn es sich öffnet und sich an die Eltern bindet. Wenn Ihr Kind es Sie in seiner Wut haut, erklären Sie, dass es Sie traurig macht, Ihnen weh tut und Sie nicht wollen, dass es Sie haut.
Was sind sinnvolle Alternativen zu Strafen und wie kann ich meinem Kind auf Augenhöhe begegnen?
Konzentrieren Sie sich auf das gewünschte Verhalten, erwähnen und wertschätzen Sie es. Viele Mütter kennen es-das Kind braucht gefühlt ewig Zeit sich alleine anzuziehen. Veranstalten Sie daraus ein Spiel, zum Beispiel „Wer hat schneller die Jacke an?“. Sie werden sehen, plötzlich geht das ganz schnell. Loben Sie Ihr Kind, erzählen Sie im Beisein des Kindes Ihren Partner, der Oma oder dem Opa davon.
Reflektieren Sie gemeinsam mit dem Kind das Fehlverhalten. Stellen Sie das Verhalten aber nicht in den Mittelpunkt. Wenn Ihr Kind zu spät vom Spielen nach Hause kommt, sagen Sie es im Gespräch, dass Sie es für wichtig halten, dass Absprachen eingehalten werden und man sich aufeinander verlassen kann.
Seien Sie Vorbild und überprüfen Sie Ihr eigenes Handeln. Wenn zum Beispiel der Papa oft unpünktlich ist und als Ausrede eine Lüge äußert, wundern Sie sich nicht, wenn das Kind es übernimmt.
Nutzen Sie natürliche Konsequenzen, die mehr Wirkung als Strafe zeigen. Wer ständig mit dem Stuhl kippelt, fällt irgendwann damit um.
Atmen Sie tief durch, bevor Sie explodieren. Wer Kinder erzieht, muss bereit sein, an sich zu arbeiten und Situationen aushalten zu können.
Manchmal hilft auch einfach, an einen Satz von Katja Saalfrank zu denken: „Für uns ist es nur der Alltag mit unseren Kindern. Für die Kinder ist es ihre Kindheit – sie haben nur die eine.“
Mandy Brunner, Nicole Fischer, Antje Saggau, Heilpädagogische Wohngruppe Lichtenstein