Wenn Eltern sich trennen oder scheiden lassen, sind die Kinder unglücklich. Um es aber gleich vorweg zu sagen: das bedeutet nicht, dass sie ihr Leben lang unglücklich bleiben müssen.
Wie Scheidungskinder die Trennung gut überstehen
Wenn Eltern sich trennen
Geschiedene Eltern zu haben, ist kein Stigma mehr. Die Angst davor ist aber sehr groß. Doch wie können Kinder eine Trennung gut überstehen?
Nahezu jede dritte Ehe wird heutzutage in Deutschland geschieden, in Großstädten sogar oft jede zweite. Für die betroffenen Kinder ist das – paradoxerweise – zunächst eine positive Nachricht. Da die Trennung ihrer Eltern kaum mehr einem gesellschaftlichen Makel unterliegt, fallen sie kaum noch auf und werden deswegen nicht mehr stigmatisiert. Die wenig beachtete Kehrseite der Medaille ist allerdings, dass Kinder heute mehr als früher Angst davor haben, dass ihre Eltern sich trennen könnten. Selten äußern sie diese Angst direkt, aber sie begleitet sie z.B., wenn ihre Eltern sich heftig streiten und in der Hitze des Gefechts einer auch schon mal mit baldigem Auszug droht.
Wenn Eltern sich trennen oder scheiden lassen, sind die Kinder unglücklich. Um es aber gleich vorweg zu sagen: das bedeutet nicht, dass sie ihr Leben lang unglücklich bleiben müssen. Die große Mehrheit von ihnen wird im späteren Leben Kindern aus „normalen“ Familie nicht nachstehen, etwa was ihre Beziehungsfähigkeit angeht oder den Erfolg in Schule und Beruf. Das haben zwei große Scheidungsstudien in den USA zeigen können, die Scheidungskinder über Jahrzehnte beobachtet haben. Die Studien haben aber auch gezeigt, dass für Scheidungskinder ein höheres Risiko besteht, mit ihrem Leben nicht gut zurechtzukommen, wenn ihre Eltern sich nicht an bestimmte Verhaltensweisen halten.
Zunächst aber stellt die Trennung für die betroffenen Kinder eine Tragödie dar. Wenn ein Elternteil auszieht, geht für das Kind unwiederbringlich eine Epoche zu Ende und das Leben wird nie mehr so sein wie vorher. Seine Eltern mögen eine Welt verlieren, das Kind verliert seine ganze Welt. Hinzukommt die große Unsicherheit, die besonders das kleine Kind in seinem Innersten empfindet. Lehrer berichten von Kindern, die kurz nach einer Trennung nicht nach Hause gehen wollen aus Angst, dass sie dort niemanden mehr antreffen.
Was man auch wissen sollte: Kinder suchen die Schuld für die Trennung der Eltern häufig bei sich: „Hätte ich doch mehr aufgeräumt… hätte es nicht immer diesen Ärger gegeben.“ „Wäre ich doch besser in der Schule gewesen…“, „Weil ich da bin, haben sie sich ständig gestritten.“ Vor allem Sätze wie: „Du machst es uns nur noch schwerer, mit deinem ständigen Gequengel und Getue“ nehmen die Kinder wörtlich.
Alle wissenschaftlichen Untersuchungen zeigen, dass besonders die ersten zwei Jahre nach der Trennung für die Kinder am schwierigsten zu bewältigen sind. Hier brauchen sie die meiste Unterstützung. Bekommen sie diese von beiden Eltern, stehen die Chancen gut, das Geschehene positiv zu verarbeiten. Das sollten alle Eltern nicht nur wissen, sondern auch beherzigen.
Wie kann man es dem Kind erklären?
Natürlich spielen hierbei das Alter und die Entwicklungspsychologie eine besondere Rolle. Kinder im Alter von fünf Jahren und jünger verfügen über weniger Schutzmechanismen als ältere Kinder, welche mit Freunden über das Erlebte sprechen können und sich Hilfe und Zuspruch holen können.
Trotz der unterschiedlichen Voraussetzungen der Kinder gibt es einige allgemeine Grundsätze, die Eltern beachten sollten. Zunächst ist es wichtig, es dem Kind überhaupt mitzuteilen und es damit auf die bevorstehende Trennung von einem Elternteil vorzubereiten. Man sollte es in einer freundlichen und liebevollen Atmosphäre sagen wie z.B.: „Mama und Papa werden sich trennen. Wir wissen, dass du traurig darüber bist und das dir einer von uns fehlen wird. Wir werden dennoch beide weiter für dich da sein und dich lieb haben.“ Man schaut das Kind dabei liebevoll und intensiv an, denn gerade der Blick ist das wichtigste Kommunikationsmittel für die ganz Kleinen. Die Kinder spüren dann die Sicherheit, weiterhin geliebt zu werden, die ihnen Halt gibt.
Eltern müssen akzeptieren, dass das Kind die Trennung seiner Eltern nicht möchte. Sätze wie „Versteh doch, wir verstehen uns nicht mehr, und da ist es doch das Beste, dass einer auszieht“ oder „Ich habe jemanden getroffen, den ich einfach lieber hab als …“, verfehlen ihr Ziel.
Generell gilt, dass sie als Eltern dem Kind zusammen sagen, dass sie sich trennen werden und dies als Tatsache mitteilen. Sie sollten sich auf das Gespräch gemeinsam vorbereiten, denn das Kind wird es wahrscheinlich sein Leben lang im Gedächtnis behalten. Es ist also sehr wichtig, was sie sagen. Sie sollten dem Kind, wenn es zutrifft, sagen, dass sie sich geliebt haben, als es entstanden ist und dass sie es egal was kommen mag immer lieben und beide für es da sein werden. Sprechen sie bei dem Kind auch an, dass dieses das Recht hat über die Trennung traurig und wütend u sein und dies auch aussprechen darf. Machen sie nochmal deutlich, dass die Schuld nicht beim Kind liegt.
Sprechen sie auch darüber, was sie als nächstes vorhaben und wie sich ihr gemeinsamer Alltag in nächster Zeit vermutlich gestalten wird. Lassen sie sich und ihrem Kind Platz für ein Gespräch über die eigenen Ängste, wenn es sich ergibt. Die Kinder müssen in diesem Moment, wo ihnen das Liebste genommen wird, in ihre Zukunft vertrauen können und darauf, dass ihnen beide Eltern erhalten bleiben.
Wie Scheidungskinder leiden
Wenn sich zwei streiten, leidet der Dritte. So lassen sich die Folgen für Kinder und Jugendliche zusammenfassen, wenn die Eltern es nicht mehr miteinander aushalten.
In der Folge haben sie häufiger emotionale Schwierigkeiten sich in ihrem sozialen Umfeld zurechtzufinden. Schließlich bekommen sie den Trennungsprozess und die entsprechenden Konflikte und Krisen zu Hause direkt mit. Manchmal müssen sie umziehen und werden aus ihrem Freundeskreis und der vertrauten Umgebung gerissen. Offenbar leiden Kinder nach der Trennung auch stark unter körperlichen Beschwerden. Eine schwedische Studie zeigt, dass unklare Symptome beim Nachwuchs zunehmen, wenn die Eltern auseinandergehen. Die Familiensituation wirkt sich demnach deutlich auf den Gesundheitszustand aus. 22% der Kinder, die mit nur einem Elternteil zusammenleben, berichten regelmäßig über psychosomatische Beschwerden. Am häufigsten klagen die Kinder über Schlafstörungen und Konzentrationsschwäche, Kopfweh, Bauchschmerzen, Appetitmangel, Unwohlsein und Abgeschlagenheit. Insgesamt leiden die Mädchen nach Trennungen stärker, bei ihnen stehen Traurigkeit und Erschöpfung, Schlafstörungen und Kopfweh im Vordergrund. Bei den Jungs waren Schlafprobleme und Konzentrationsschwächen am häufigsten.
„Trennungen machen Angst und Wut, das kann zu Übelkeit, Schmerzen und dem gesamten Repertoire körperlicher Beschwerden führen“, sagt Karl Heinz Brisch, Leiter der Psychosomatik am Haunerschen Kinderspital der Universität München. „Klein wie groß geht es so, auch wenn Jugendliche eher in der Lage sind, das abzuwehren. Normalerweise sind Eltern ja die Ansprechpartner, aber die fallen weg, weil sie selbst belastet sind.“
Auch Trennungskinder, die beide Elternteile regelmäßig sehen, leider unter der Situation. „Kinder, bei denen diese Arrangements klappen, haben zwar weniger Beschwerden …. Dennoch zeigen sie mehr Symptome als die Kinder, die mit beiden Eltern in ihrer Kernfamilie leben“, sagt Bergström.
Schutzfaktoren für das Leben danach
Die zwei großen amerikanischen Studien, die zu Beginn bereits erwähnt wurden haben für die Kinder, die ihre Trennung erfolgreich verarbeiten konnten folgende „Schutzfaktoren“ herausgefunden:
- Eltern müssen ihrem Kind nach der Trennung weiterhin verlässliche Eltern bleiben, mit deren Fürsorge und Schutz die Kinder rechnen können. Das erfordert von beiden Elternteilen Planungsfähigkeit, Selbstdisziplin und Anpassungsfähigkeit an die neue Situation.
- Diejenigen Eltern, die nach der Trennung selbst psychisch geschwächt sind, sollten soziale Unterstützung von außen oder therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen.
- Die Eltern sollten möglichst rasch eine verlässliche Alltagsstruktur aufbauen, in der sich das Kind sicher aufgehoben fühlt.
- Eltern müssen sich vor ihren Kindern nicht übertrieben harmonisch zeigen, die Kinder würden sich sonst fragen, warum sie sich eigentlich getrennt haben. Offener Streit und gegenseitige Beschimpfungen vor den Kindern sollten aber unterbleiben.
- Eltern, die sich getrennt haben, sollten ihre Kinder nicht aus falsch verstandene Schuldgefühl über den Maßen verwöhnen, was ihnen nur kurzfristig Sicherheit verspricht, sondern sie konsequent und verantwortlich für sich und andere erziehen. Sie bleiben Kinder und werden durch die Trennung nicht zu Partnern.
- Der Blick der Eltern sollte in die Zukunft gerichtet sein und nicht über den Maßen am Geschehenen kleben. Dies ist in Hinsicht auf ihre eigene Beziehungsfähigkeit ebenso wichtig wie für die spätere Beziehungsfähigkeit ihrer Kinder.
- Eltern müssen trotz der Trennung kooperativ miteinander umgehen und dem Kind das Gefühl geben, weiterhin gemeinsam für es da zu sein. Dies ist der wichtigste Schutzfaktor für das Kind.
Karin Wagner, Hort-Erzieherin in der Kindertagesstätte „Blumenkinder“ Oberbobritzsch
Quellen:
www.sueddeutsche.de/gesundheit/psychosomatik-scheidung-tut-weh-1.2454565