Hochsensible Menschen nehmen sämtliche Sinneseindrücke (fühlen, riechen, schmecken, hören) intensiver wahr. Die Aufmerksamkeit liegt quasi überall, egal ob die Betroffenen das wollen oder nicht.
Weniger ist (oftmals) mehr: Hochsensitive Kinder
Hochsensitivität bzw. Hochsensibilität ist eine Persönlichkeitseigenschaft, welche ca. 20 bis 30 Prozent der Bevölkerung betrifft. Der Begriff wurde 1996 von der Psychologin Elaine N. Aron entwickelt und ist mittlerweile nicht mehr wegzudenken.
Personen mit dieser Eigenschaft nehmen sämtliche Sinneseindrücke (fühlen, riechen, schmecken, hören) intensiver wahr, dabei sind ihre Sinnesorgane nicht mehr ausgeprägt als bei anderen. Aufgrund ihrer neuronalen Veranlagung sind Hochsensitive in ihren Wahrnehmungsfähigkeiten sowie Reizverarbeitung entsprechend differenzierter. Die Aufmerksamkeit liegt quasi überall, egal ob die Betroffenen das wollen oder nicht. Es ist dabei wichtig zu erwähnen, dass es sich um keine psychische Diagnose handelt, sondern um ein Persönlichkeitsmerkmal.
Die Anzeichen sind sehr vielfältig und können nicht an starren Merkmalen festgemacht werden, da sich Hochsensibilität bei jedem Menschen anders zeigen kann. Sie geben vielmehr eine Tendenz und diese kann sich bereits als Baby bzw. im Kleinkindalter aufzeigen. Oftmals ist bei Kindern, wo eine Hochsensibilität vermutet wird, mindestens ein Elternteil ebenfalls mit dieser Persönlichkeitseigenschaft anzutreffen.
Unter guten Bedingungen ist Hochsensitivität eine wertvolle Ressource, da Hochsensible oftmals nochmal einen anderen Blickwinkel mitbringen, aufgrund ihrer ausgeprägten Wahrnehmung. Gleichzeitig ergibt sich daraus die Gefahr der Überforderung bzw. Überreizung, was im Alltag immer wieder eine gewisse Herausforderung darstellt.
Mögliche Anzeichen für Hochsensibilität im Kindesalter:
1. Hohes Feingefühl
- das Kind reagiert stark auf Sinneseindrücke, z.B. erschrickt es sehr schnell bei schnellen Bewegungen oder Geräuschen
- bereits im Säuglingsalter möchte das Kind viel Körperkontakt und viel getragen werden, dabei werden nur die engsten Bezugspersonen akzeptiert
- nach aufregenden Tagen findet das Kind abends nur sehr schwer zur Ruhe
- bestimmte Lebensmittelkonsistenzen, Kleidungsstücke, Berührungen werden vermieden oder auch verweigert (sensomotorische Reize)
- das Kind kann seine Empfindsamkeit in Kunst / Musik intensiv entfalten
2. Hohe Empathie
- das Kind hat ein intensives Gefühlserleben (schnell traurig, verletzt, enttäuscht, wütend, fröhlich)
- großes Einfühlungsvermögen in Andere (Gefühle werden schnell wahrgenommen und intensiv mitgefühlt)
- Wohlbefinden ist in einer kleinen Gruppe oftmals größer
- ein ausgeprägter Gerechtigkeitssinn
- große Hilfsbereitschaft
- das Kind ist ein sehr aufmerksamer Zuhörer
3. Hohe Reflexionsfähigkeit
- es wird vieles hinterfragt und tiefgründige Fragen gestellt, bereits ab Kleinkindalter
- das Kind hat ein Bedürfnis nach Antworten, um Zusammenhänge zu begreifen und letztendlich auch um seine Umwelt zu verstehen
- Entscheidungen fallen sehr schwer
- das Kind hat einen hohen Leistungsanspruch an sich selbst; Perfektionismus
4. Scheinbare Unsicherheit
- das Kind beobachtet gerne, was von Außen als scheu oder ängstlich bezeichnet werden kann
- insbesondere neue Situationen (Räume, Personen, Verhaltensweisen) werden sehr bewusst wahrgenommen
- unvorhergesehene Änderungen sind schwer auszuhalten
Gute Bedingungen: Was braucht ein hochsensibles Kind?
1. Wahrnehmung des Kindes respektieren
- das Kind bedingungslos so sein lassen, wie es ist, da intuitiv ein sehr gutes Gefühl vorhanden ist, was angenehm bzw. unangenehm ist
- gesetzte Grenzen des Kindes respektieren, wenn etwas zu viel ist
- Entscheidungen und Reaktionen nicht bewerten, auch wenn diese als außenstehende Person zunächst nicht nachvollziehbar erscheinen; für Hochsensible erscheinen diese wiederum logisch
2. Sich in Geduld üben
- mehr Zeit bei einzelnen Punkten im Tagesverlauf einplanen
- das Kind braucht Zusammenhänge, um Situationen und Handlungen nachvollziehen zu können
- zunehmendes Verständnis und Wissen für die Welt unterstützt eine Entwicklung für eine entsprechende Sicherheit im Umgang mit sich selbst und der Umwelt
- dem hochsensiblen Kind einen gewissen Freiraum bei Entscheidungen zu geben ist oft hilfreich, bspw. können mehrere Möglichkeiten aufgezeigt werden
- ggf. mehr Zeit bei der Eingewöhnung in die Kita einplanen
3. Auf Struktur achten (räumlich, zeitlich, organisatorisch)
- allgemeiner Merksatz: Weniger ist mehr bei hochsensiblen Kindern.
- ein strukturierter Tagesablauf vermittelt Orientierung und Sicherheit
- gezielt reizärmere Phasen in den Tagesablauf zu integrieren
- auf ausreichend Freiräume achten bei Terminen und Freizeitgestaltung neben Kita/ Schule, da bereits der Alltag sehr reizintensiv sein kann
- ruhige Farben verwenden und mehrere Rückzugsmöglichkeiten in der Raumgestaltung schaffen
- Grundordnung: Spielzeug, Büchern etc. nach Möglichkeiten einen festen Platz geben
- zu viel Spielzeug kann schnell überfordernd wirken (Idee: einen Teil der Spielsachen einlagern und in regelmäßigen Zeitabständen gemeinsam mit dem Kind entsprechend austauschen)
4. Balance zwischen „Beschützen“ und „Anstupsen“
- insbesondere im Umgang mit neuen Situationen ist es wichtig Verständnis für die Art und Weise des Kindes zu haben
- ein „Nein“ akzeptieren, wenn das Kind sich überreizt oder überfordert fühlt
- ABER: Vielfältige Erfahrungen sind die Basis für persönliche Weiterentwicklung
- Eltern können ihr Kind daher entsprechend immer wieder ermutigen etwas Neues zu wagen, ohne Druck aufzubauen
- oftmals benötigen hochsensible Kinder mehrere Anläufe, um Neues zu wagen (mit der Zeit und entsprechenden Weiterentwicklung wird oft aus einem „Nein“ ein „Ja“)
Im Hochsensitiven liegen Potenziale und ein wunderbares Gespür für Menschen und Situationen. Werden Kinder mit dieser Eigenschaft entsprechend gesehen und respektiert, so können sie ein gesundes Selbstbewusstsein entwickeln. Gerade für hochsensible Kinder ist es wichtig, dass sie ihre Grenzen erkennen und vor allem setzen lernen, um sich selbst in gewisser Weise schützen zu können.
Wir dürfen diesen Kindern besonderes Vertrauen schenken, dass sie mehr können und wissen, als wir es ihnen oftmals zutrauen.
Quellen und Impulse zum Weiterlesen:
Schöberl, I./Beetz, A. 2023: Hochsensibilität – vom Umgang mit besonders feinfühligen Kindern
starkekids.com/hochsensible-kinder/
Hochsensibel.org
Christina Gratz, Kindheitspädagogin in der „Villa Kunterbunt“ Freiberg