Na warte, bis der Papa kommt! – Zum Umgang mit Strafen
Kinder brauchen Zuwendung, Kinder brauchen Annahme, Bestätigung und Lob. So können sie wachsen und auf die eigenen Stärken vertrauen. Natürlich läuft nicht immer alles glatt und nicht immer so, wie wir uns das wünschen. Wäre ja auch zu schön!
Um sich entwickeln zu können, müssen Kinder auch Fehler machen (dürfen), auch mal richtig danebenhauen (dürfen). Aus eigener Erfahrung und auch in der Auseinandersetzung mit anderen Menschen können sie lernen, was der „richtige Weg“ ist. Aber wie reagieren wir Eltern und Erzieher richtig auf die kleinen und großen Verfehlungen unserer Kinder?
Eine junge Mutter erzählt: „Ich gehe nur vormittags arbeiten, damit ich am Nachmittag viel Zeit mit unseren Jungs – fünf und acht Jahre alt – verbringen kann. Beide sind sehr aufgeweckt, unternehmungslustig und experimentierfreudig. Kein Tag, wo sie nicht unbeobachtet irgendwelchen Blödsinn anstellen. Manchmal ist das ja ganz lustig, manchmal vergeht mir aber auch das Lachen und ich werde richtig wütend, vor allem, wenn’s gefährlich wird oder Schaden entsteht. Im Ärger drohe ich dann auch mal schlimme Konsequenzen an, die ich gar nicht so meine. Ich liebe meine Kinder sehr und will sie gar nicht ständig maßregeln, und wenn der Ärger verraucht ist, vergesse ich auch gern wieder die angekündigte Strafe. Und wenn ich gar nicht mehr weiter weiß, sag‘ ich auch schon mal den Satz: Na wartet, wenn der Papa kommt…! Der soll’s dann richten, wenn er abends von der Arbeit kommt und ist davon meist gar nicht begeistert. Natürlich will er sich nach der Arbeit ausruhen, sich lieber an seiner Familie erfreuen, mit den Kindern spielen und hören wie ihr Tag war, als Konflikte und Vergehen auszuwerten, die tagsüber passiert sind. Ich verstehe das ja auch, aber so ein ernstes Wort von Vater zu Sohn – das wirkt manchmal Wunder. Mein Mann hat es irgendwie leichter mit den beiden. Die freuen sich immer so sehr auf ihren Papa und hören auch besser auf ihn. Sicher deshalb, weil er im Alltag weniger da ist – da gibt es weniger Reibungspunkte – aber wohl auch, weil er meistens ruhig bleibt, klar und konsequent ist.“
Durch jede Form von Zuwendung verstärken wir ein vorausgegangenes Verhalten. Verstärken bedeutet, dass man aus einem kleinen, nebensächlichen Verhalten durch besondere Beachtung ein deutliches und im Vordergrund stehendes Verhalten macht. Das gilt für erwünschtes ebenso wie für unerwünschtes Verhalten. Wenn wir beispielsweise den kräftigen, aus Versehen herausgerutschten Rülpser des sechsjährigen Paul bei Tisch mit Lachen oder lustigen Sprüchen honorieren, ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass sich Paul auch künftig bei den Mahlzeiten große Mühe geben wird, laut zu rülpsen, um unseren Beifall zu erhalten. Lachen, freundliches Kommentieren, aber auch Streicheln, Zuhören, Nachfragen, Belohnen, Umarmen sind Arten von positiver Zuwendung. Aber auch negative Zuwendung – Schreien, Schimpfen, Tadeln, Nörgeln, Drohen, Vorwürfe machen oder gar Schlagen – ist Zuwendung und führt zur Verstärkung eines Verhaltens. Fatalerweise bewirken wir also damit, dass ein Verhalten, was wir eigentlich verhindern wollten, eher noch stärker ausgeprägt wird.
Wollen wir also, dass ein bestimmtes Verhalten nicht wieder auftritt, dann dürfen wir es nicht durch Zuwendung verstärken. Ohne Zuwendung rückt ein (unerwünschtes) Verhalten in den Hintergrund und verschwindet. Keine Zuwendung geben heißt: Blickkontakt vermeiden, weggehen, körperliche Distanz schaffen, keine Miene verziehen, keine Antwort geben.
Bis jetzt haben wir uns mit Zuwendung oder auch mit absichtsvoller Nicht-Zuwendung befasst. Aber natürlich können wir nicht jedes Fehlverhalten durch Ignorieren in den Griff kriegen. Manchmal braucht es „schärfere Geschütze“, oder!? Nun sind wir beim Thema Strafen.
Wichtig ist: Strafen sind an sich problematisch, weil sie keine Entwicklung, kein Lernen neuer, erwünschter Dinge ermöglichen. Strafen führen vielmehr zu Flucht und Vermeidung, zu Angst und Verunsicherung, zu Frust auf den Strafenden, auch zu Aggression. Dies gilt vor allem dann, wenn die Strafe keinen Zusammenhang zu dem unerwünschten Verhalten hat. So ist es z.B. nicht besonders hilfreich, ein Kind zur Strafe ins Bett zu schicken, weil es die Schule geschwänzt, etwas gestohlen oder in der Wut etwas zerstört hat.
Hilfreich, weil nachvollziehbar und deshalb förderlich für ein Lernen aus Fehlern, sind logische Konsequenzen und natürliche Folgen auf ein Fehlverhalten. Konkret heißt das z.B. versäumter Unterricht muss zu Hause nachgearbeitet werden, gestohlene Dinge müssen zurückgegeben und der Diebstahl wiedergutgemacht werden – durch eine Aussprache, die Bitte um Entschuldigung, ein Angebot an den Bestohlenen (etwas für ihn zu tun, etwas von sich abzugeben…), Zerstörtes muss wieder repariert werden bzw. das Kind beteiligt sich in angemessener Weise an der Schadensbehebung.
Wichtig ist, dass Konsequenzen auf ein Fehlverhalten auch angemessen im Verhältnis zur Schwere des Vergehens sind. So dürfen kleinste Anlässe, z.B. Widerworte, nicht ebenso schwere Strafen nach sich ziehen wie große Taten, z.B. ein parkendes Auto beschädigen.
Problematisch ist es auch, wenn angekündigte Konsequenzen nicht durchgesetzt oder durchgehalten werden, da sie schwer durchführbar oder unsinnig sind, z.B. Hausarrest über mehrere Wochen. Kündigen Sie also nur solche Konsequenzen an, die Sie auch durchsetzen möchten und können und dann tun Sie’s auch! Inkonsequenz verstärkt das problematische Verhalten.
Hier noch ein Beispiel: Der achtjährige Nico lebt in einer Wohngruppe der Jugendhilfe. Bei Auseinandersetzungen mit seinen Mitbewohnern zieht er oft den Kürzeren, weil er sich sprachlich nicht so gut ausdrücken kann wie diese. Dann reagiert er häufig impulsiv mit heftigen Wutausbrüchen: er tritt oder schlägt mit Gegenständen von innen gegen die Tür seines Zimmers. Auf diese Weise hat er seine Tür schwer beschädigt. Da Nico keinen Begriff von Geldwerten hat, fiel die Idee aus, ihn an dem materiellen Schaden durch eine Taschengeldbeigabe zu beteiligen. So wurde Nico erklärt, dass die Tür zur Reparatur zu einem Tischler gebracht werden müsse. Ohne Tür in seinem Zimmer – das gefiel Nico gar nicht. Nach wenigen Tagen war die reparierte Tür wieder da und Nico sehr erleichtert. Nun wurde mit ihm vereinbart, dass die Tür im Falle erneuter Beschädigung sofort wieder ausgehängt und zur Reparatur gebracht würde. Nachdem die schöne neue Tür gemeinsam mit einem glücklichen Nico eingesetzt worden war, wurde mit ihm erarbeitet, wie und wo er künftig seine Wut besser als an der Tür abreagieren kann. Seither musste die Tür nicht wieder zum Tischler. Nur ein paarmal noch, aber weniger brachial als zuvor, hat er dagegengetreten.
Liebe Eltern, nachdem Sie nun viel zum Thema „Richtig Strafen“ gelesen haben, wollen wir noch einmal zum Eingangsgedanken zurückschwenken: Seien Sie gut im Kontakt mit Ihrem Kind, schenken Sie ihm positive Zuwendung, beachten Sie es – nicht erst, wenn es Fehler macht. Reden Sie mit Ihrem Kind, loben, anerkennen und bestätigen Sie es für alles, was es ist und was es kann. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein erwünschtes Verhalten selbstverständlich ist und deshalb weniger Beachtung bedarf als ein unerwünschtes. Anerkennung, Lob und Bestärkung sind sehr viel erfolgreichere Entwicklungshelfer als Strafen und machen Sie und Ihre Kinder glücklicher.
Uta Troike, Psychologin im Kinderarche Sachsen e.V.