Hochsensibilität - was ist das?
Etwa 15 bis 20 Prozent der Bevölkerung gelten aufgrund ihrer besonderen neurobiologischen Eigenschaften als hochsensible Personen. Erstmalig erforscht und beschrieben wurde die Hochsensibilität durch Elaine Aron. Was aber bedeutet es, hochsensibel zu sein?
Jeder von uns nimmt Informationen aus seiner Umwelt auf und verarbeitet sie. Bei fast allen Menschen wird ein Großteil dieser Informationen jedoch aus der Wahrnehmung herausgefiltert. Dieser Filter ist bei hochsensiblen Menschen aufgrund neurologischer Besonderheiten weniger stark ausgeprägt als bei nichthochsensiblen Menschen. Hochsensible Menschen zeichnen sich durch eine außergewöhnlich feine Wahrnehmungsfähigkeit aus und nehmen viel mehr Informationen auf, sowohl von ihrer Umwelt als auch von sich selbst.
Aufgrund ihrer feinen Sensoren reagieren sie sehr viel sensibler auf alle Sinneseindrücke, auf Reize und verschiedene Atmosphären. Man könnte sagen, sie haben stärkere „Antennen“ und gleichzeitig sind ihre „Reizfilter“ schwächer. Daher ist ihre Wahrnehmung deutlich intensiver als bei anderen Menschen, aber auch ihre Reizverarbeitung ist tiefer und kostet sie oft mehr Kraft. Das läuft unbewusst ab und macht sich meist erst dann bemerkbar, wenn sie plötzlich in den unangenehmen Zustand der Reizüberflutung geraten. Hochsensibilität kann sich unterschiedlich bemerkbar machen. Manche Hochsensible nehmen z.B. Gerüche, optische und akustische Eindrücke intensiver oder facettenreicher wahr, andere bemerken feine Nuancen in zwischenmenschlichen Beziehungen.
Hier einige typische Merkmale für hochsensible Kinder:
- hohe Schmerzempfindlichkeit
- eher introvertiert/zurückgezogen (etwa 30% der HSK sind extrovertiert)
- eher wenig mit anderen Kindern befreundet
- oft sehr PC-begeistert
- äußerst wissensdurstig und hochkonzentriert bei Themen, die das Kind anregen, sonst eher unmotiviert
- eher in Schulfächern gut, die Phantasie und visuelles Lernen zulassen
- keine „Sportskanonen“, da insbesondere Schulsport als zu schnell, zu belastend und mit zu viel Konkurrenz und Druck verbunden erlebt wird
- Gedankenreisende oder Träumer
- durch „Träumerei“ eher unpünktlich oder vergesslich; u. U. danach sehr zerknirscht, da dies nicht zu ihren eigenen (oder fremden) Ansprüchen an sich selbst passt
- eher langsam (oft aufgrund von Gründlichkeit!)
- gestresst bei Klassenarbeiten/Notenvergabe/Prüfung
- gestresst/überreizt bei objektiv „schönen“ Anlässen wie Geburtstag, Weihnachten
- (für Außenstehende plötzlich) traurig oder sogar depressiv
- komplexe Denker und Fragensteller (besonders für ihr Alter)
- bei Konflikten sehr schnell verängstigt (häufige Reaktionen sind dann Weinen, Fliehen, „Abschalten“)
(Quelle: www.hochsensibel.org)
Hochsensible Kinder merken natürlich, dass sie in manchen Bereichen anders sind als die anderen. Dadurch kann das Gefühl entstehen, nicht in Ordnung zu sein. Aber Hochsensibilität ist keine Krankheit oder Störung, sondern lediglich ein angeborener Wesenszug. Wir sollten hochsensible Kinder daher nicht mit anderen vergleichen, sondern sie so sein lassen wie sie sind. Das bedeutet, nicht nur die angenehmen Eigenschaften wie Empathie, Gründlichkeit und Wissensdurst wertzuschätzen, sondern auch Weinerlichkeit, Träumerei und Langsamkeit aushalten zu können, ohne negativ zu bewerten. Sowohl positive, als auch negative Gefühle werden stärker empfunden. Konflikte und Trennungen werden nur schwer verkraftet.
Ganz besonders wichtig und hilfreich für hochsensible Kinder sind Regelmäßigkeit, Struktur und Rituale. Sobald feste Strukturen aufgelöst werden, schwanken hochsensible Kinder. Außergewöhnliche und neue Situationen (z.B. Schulstart, Wohnungsumzug) sollten daher möglichst langfristig und kleinschrittig vorbereitet werden.
In einem sicheren Umfeld und der richtigen Balance aus Förderung und Forderung können hochsensible Kinder ihren Alltag sehr gut meistern.
Dorothee Starke, Integrative Familienbegleitung Lichtenberg