Kinder, die auch nach der Trennung eine enge Beziehung zu beiden Elternteilen erleben dürfen, gehen psychisch gestärkt ins Erwachsenenalter und haben im Idealfall positive Rollenvorbilder erleben dürfen.
Getrennt erziehen: Wie das zum Wohl der Kinder gelingt
Nach einer Trennung bestehen bei den Eltern häufig emotionale Verletzungen, Enttäuschungen und Trauer. Nicht immer ist es einfach, trotz Trennung als Eltern mit dem Ex-Partner zu kooperieren. Häufig müssen destruktive Kommunikationsmuster überwunden werden und es fehlen positive Rollenvorbilder, auf die heutige Erwachsene zurückgreifen können. In Deutschland ist eine Trennung der Eltern nicht selten, trotzdem fehlt es an einer „Trennungskultur“. Die Suche nach kindgerechten Lösungen ist deshalb häufig schwierig, vor allem dann, wenn ein Ex-Partner eine neue Beziehung eingeht und eine „Patchwork-Familie“ entsteht.
In der 2022 publizierten Studie zu Trennungskindern des Psychologen Jorge Guerra Gonzalez, der bereits erwachsene Kinder getrennter Eltern untersuchte, heißt es, dass Kinder es vor allem dann im Leben schwerer haben als Kinder aus „intakten Familien“, wenn die Bindung zu einem Elternteil leide. „Das Schlimmste, was die Eltern tun können, ist, den Paarkonflikt auf die Kinder zu übertragen und ihnen einen Elternteil vorzuenthalten“, resümiert Jorge Guerra Gonzalez. Kinder, die auch nach der Trennung eine enge Beziehung zu beiden Elternteilen erleben dürfen, gehen psychisch gestärkt ins Erwachsenenalter und haben im Idealfall positive Rollenvorbilder erleben dürfen, die eine Trennung kindgerecht und fair gestaltet haben.
Vom Paar zum Elternteam
Die Liebesbeziehung wurde beendet, die Elternbeziehung bleibt bestehen. Auf der Elternebene kann in Gesprächen alles thematisiert werden, was die Kinder betrifft: die Umgänge, die Verteilung von Aufgaben, gesundheitliches. Positive Trennungsvorbilder befähigen Kinder zur konstruktiven Lösungsfindung im eigenen späteren Leben. Wenn sich beide Elternteile dies vor Augen führen, fällt es womöglich leichter, das Wohlergehen der Kinder in den Vordergrund zu stellen und eine sachliche Sicht auf die Dinge zu haben.
Getrennte Eltern müssen eine neue Rolle einnehmen. Für eine gute Zusammenarbeit als Elternteam gelten ähnliche Regeln wie fürs Berufsleben. Klare Vereinbarungen, Strukturen, ein ruhiger Umgangston auf sachlicher Ebene und ein angemessener Abstand zum Privatleben des anderen helfen dabei, die neue Rolle zu finden und anzunehmen. Im Groben gibt es zwei Arten, nach einer Trennung konstruktiv und für die kindliche Entwicklung förderlich als Elternteam zusammenzuarbeiten:
1. Die kooperative Elternschaft
Kooperierende Eltern tauschen sich häufig und sachlich über ihre Kinder aus. Vereinbarungen werden nach Bedarf angepasst, es herrscht ein lösungsorientierter Umgang zum Wohle des Kindes. Der Alltag und die Erziehung des Kindes erfolgt möglichst gut aufeinander abgestimmt. Wichtige Entscheidungen treffen die Eltern nach Abwägung gemeinsam und vereinbarte Betreuungszeiten können bedarfsgerecht und wenn nötig auch spontan angepasst werden. Meinungsverschiedenheiten lösen kooperative Eltern durch Gespräche gemeinsam.
2. Die parallele Elternschaft
Im Gegensatz zur kooperativen Elternschaft sprechen die parallel erziehenden Eltern im Alltag wenig miteinander. Die parallele Elternschaft ist gekennzeichnet von festen Regeln und Absprachen, an die sich beide zuverlässig halten. Möglicherweise hilft es Eltern, denen eine direkte Kommunikation schwer gelingt, sich von einer unabhängigen Beratungsstelle bei der Vereinbarung von Betreuungszeiten und Absprachen unterstützen zu lassen. Genannt werden sollen hier Erziehungsberatungsstellen, die es in jeder Stadt gibt und die kostenfrei Hilfe anbieten. Auch das Jugendamt kann hier ein Ansprechpartner sein.
Beiden getrennten Elternschaften ist gemein, dass Konflikte nicht in Gegenwart der Kinder ausgetragen werden und die grundsätzliche Haltung gegenüber dem anderen Elternteil von Respekt und Akzeptanz geprägt ist.
Kinder mit einbeziehen
Kinder sollen und wollen bei allen wichtigen Entscheidungen, die sie selbst betreffen, mit einbezogen werden. Kinder wollen ihre Bedürfnisse und Wünsche äußern. Am Ende tragen natürlich die Eltern die Verantwortung für die von ihnen getroffenen Entscheidungen. Werden Kinder in wichtige Entscheidungsprozesse einbezogen, fühlen sie sich wahrgenommen und wertgeschätzt. Dies stärkt die Eltern-Kind-Bindung, das Selbstvertrauen und gibt Kindern das wertvolle Gefühl der Selbstwirksamkeit.
Eltern hilft es, die Stimme des Kindes zu hören, um wichtige Entscheidungen klug und abwägend zu treffen. Sprechen Sie ganz konkret mit den Kindern über die Ausgestaltung der neuen Betreuungssituation: Soll der Wechsel sofort nach der Schule stattfinden oder erst am Freitagabend? Wie soll das neue Kinderzimmer eingerichtet werden? Welche wichtigen Spielsachen müssen unbedingt immer mitgenommen werden? Sagen Sie ganz offen, dass Sie sicher nicht alle Wünsche umsetzen können und dass Sie als Erwachsene letztlich die Entscheidungen treffen. Beenden Sie das Gespräch am besten mit etwas Positivem: einem gemeinsamen Spiel oder besuchen Sie zusammen den Spielplatz.
Mit Kindern über die Trennung sprechen
Kinder brauchen Erklärungen. Eine Trennung der Eltern ist immer mit vielen Veränderungen verbunden. Sprechen die Eltern nicht offen und ehrlich mit ihren Kindern, suchen diese selbst nach Erklärungen und geben sich nicht selten selbst die Schuld. Bereiten Sie sich gut auf das Gespräch vor. Überlegen Sie genau, was sie zu Ihrem Kind sagen wollen, welchen Rahmen Sie wählen und einigen Sie sich mit dem anderen Elternteil auf alle wichtigen Punkte, die sie Ihrem Kind mitteilen wollen. Sprechen Sie im Vorfeld über die Veränderungen, die für das Kind eintreten werden und wie die zukünftige Betreuungssituation gestaltet werden soll.
Im Idealfall sprechen Sie zusammen mit dem Kind über die Trennung. Dies vermittelt dem Kind Sicherheit. Keinesfalls sollten Sie sich dabei jedoch vor dem Kind streiten. Verständigen Sie sich im Vorfeld über notwendige Gesprächsregeln und den Ablauf. Sollte es sich bereits jetzt ankündigen, dass ein gemeinsames Gespräch derzeit nicht möglich ist, sprechen Sie jeder einzeln mit dem Kind.
Wählen Sie einen Gesprächszeitpunkt, an dem Sie genügend Ruhe und Zeit haben und nicht unmittelbar vorm Schlafengehen, damit dem Kind Zeit zum Nachfragen und Verarbeiten bleibt. Für Kinder ist vor allem wichtig zu erfahren, wie sie die neue Situation selbst betrifft. Welche Veränderungen wird es im kindlichen Alltag geben? Welche Dinge werden gleich bleiben? Dies verschafft dem Kind Sicherheit und Orientierung.
Sagen Sie Ihrem Kind, dass Sie beide seine Eltern bleiben und dass Sie es weiterhin lieben werden. Erklären Sie dem Kind deutlich, dass die Trennung nicht Schuld des Kindes ist, sondern dass es eine Sache zwischen den Eltern ist. Lassen Sie mögliche negative Gefühle des Kindes zu und zeigen Sie Trost und Verständnis. Vermeiden Sie Verschönigungen und erfinden Sie keine Notlügen oder Ausreden. Belasten Sie die Kinder nicht mit Ihren Sorgen und besprechen Sie Konflikte mit dem anderen Elternteil nie mit Ihren Kindern.
Versprechen Sie nichts, was Sie nicht halten können. „Du kannst den Papa immer sehen, wann du willst“ lässt sich schon aufgrund von Arbeitszeiten nicht umsetzen. Suchen Sie immer wieder in Abständen das Gespräch zum Kind und erkundigen Sie sich, wie es ihm mit der neuen Situation geht. Können Sie Fragen nicht sofort beantworten, sagen Sie deutlich, dass sie das noch nicht wissen und nochmal mit dem anderen Elternteil sprechen müssen, um zu antworten.
Loyalitätskonflikte vermeiden
Für Kinder sind Loyalitätskonflikte besonders belastend. Achten Sie auf Ihren Umgangston und darauf, weder abwertend noch unfair über den anderen Elternteil zu sprechen. Kinder orientieren sich stark an den Einschätzungen der Eltern und es ist verunsichernd, wenn Kinder plötzlich hören müssen, wie wenig ein Elternteil vom anderen hält. Dies gefährdet die emotionale Sicherheit der Kinder.
Vermeiden Sie im Vorfeld kritische Situationen. Ist das Kind beim Kaffeetrinken mit der Freundin anwesend? Sprechen Sie über andere Dinge und telefonieren Sie abends, wenn das Kind im Bett ist, um sich über die ehemalige Paarebene auszuztauschen. Vermeiden Sie Schuldzuweisungen und nehmen Sie Wünsche ihres Kindes ernst, den anderen Elternteil häufiger zu sehen. Unterstützen Sie Ihr Kind beim Packen, wenn es zum anderen Elternteil fährt und sagen Sie diese Kontakte niemals ohne triftigen Grund ab.
Verantwortung bleibt bei den Eltern
Lassen Sie das Kind niemals „Schiedsrichter“ in Konflikten sein. Fordern Sie das Kind niemals auf, dem anderen Elternteil etwas auszurichten oder „auszukundschaftern“. Sie sind traurig, wenn Ihr Kind längere Zeit zum anderen Elternteil fährt? Das ist verständlich, jedoch liegt dies nicht im Verantwortungsbereich des Kindes. Sorgen Sie für sich, übernehmen Sie die Verantwortung für Ihr Wohlergehen und füllen Sie die kinderfreie Zeit mit angenehmen Erlebnissen.
Auch getrennt erziehende Eltern können starke, fröhliche und seelisch gesunde Kinder großziehen. So schwierig eine Trennung für die Kinder auch ist – sie birgt doch auch die Möglichkeit, Ihrem Kind in schwierigen Situationen ein stabiles, sicheres und verlässliches Verhalten vorzuleben und es so fürs spätere Leben zu stärken.
Quellen und Literaturtipps:
- www.stark-familie.info/de/
- „Alles Familie“ von Alexandr Maxeiner und Anke Kuhl
- „Meine zwei Zuhause“ von Ben Furman und Mathias Weber
- „Zwei Zimmer für Cleo“ von Julia Weißflog, Laura Marie Köcher, Sahar Ladkani, Sandrine Ngono und Annika Stöhr
Jessica Köthe, Kinder- und Jugendheim Burgstädt